Preisfindungsstellen – eine Alternative zur Marktpreisbildung, Teil 3

Auszüge aus Otto Jachmann: Beobachtungen und Gedanken zu Wirtschaft und Gesellschaft, Borchen 2008; die Teile 1 und 2 erschienen in den letzten beiden Info-Briefen

Die Ferkelnotierung
Eine Preisfindung für Ferkel mag für den Sachfremden abgelegen erscheinen. Sie ist es nicht. Ferkel sind der Ausgangspunkt des Schweinezyklus. Mit den Sauenzulassungen beginnt die Produktionsperiode für Schlachtschweine und umfasst die Tragezeit der Muttersauen, die Ferkelaufzucht- und die Mastzeit. Wenn die Ferkelerzeuger ihre Muttersauen decken lassen, entscheiden sie darüber, wieviel Schlachtschweine in etwa einem Jahr auf den Markt kommen. Es ist also sinnvoll, bei den Ferkelpreisen anzusetzen, um den Schweinezyklus in geordnete Bahnen zu lenken. Die Preisfindung für Ferkel folgt den gleichen Grundsätzen wie die für die Kernobstnotierung, muss aber anders organisiert werden, weil die Marktbedingungen verschieden sind:
Es gibt zwar regionale Schwerpunkte der Muttersauenhaltung, in Baden-Württemberg z.B. Hohenlohe und Oberschwaben, dennoch ist die Ferkelerzeugung viel mehr in der Fläche verteilt als der Erwerbsobstbau. Muttersauen kann man überall halten.
Obsterträge und -erzeugungsmengen hängen vom Jahrgang ab, die Mengen erzeugter Ferkel jedoch von menschlichem Ermessen, d.h. von den Entscheidungen der Sauenhalter. Die Ferkel- und Schlachtschweinepreise richten sich ausschließlich nach dem Marktgeschehen. Es gibt keine EU-Marktordnung für Schweine.

Zahlreiche Ferkel werden in den Erzeugerbetrieben gemästet oder unmittelbar an Schweinemäster verkauft. Ein anderer Teil wird indessen überregional über den genossenschaftlichen oder privaten Ferkelhandel vermarktet und an Schweinemäster in ganz Europa verteilt. Ferkelhändler sind Viehhändler und folgen Viehhandelsgebräuchen. Sie kaufen und verkaufen auf eigene Rechnung und eigenes Risiko. Ferkel sind empfindliche Tiere und müssen nach wenigen Tagen, am besten sogleich, wieder unter regelmäßige Fürsorge in den Mastställen kommen. Unter diesen Bedingungen kann die Notierungskommission für Ferkel nicht allein aus Händlern bestehen. Diese verfolgen ausschließlich ihre eigenen Geschäftsinteressen. Sie möchten billig einkaufen und teuer verkaufen. Als Gegengewicht muss ihnen das Interesse der Ferkelerzeuger gegenübergestellt werden, die für ihre Tiere einen möglichst hohen Preis erzielen wollen. Dann besteht die Chance eines fairen Interessenausgleichs, der zu einer ausgewogenen Preisfindung führt. Die Notierungskommission setzt sich hier also aus vier bis fünf Händlern und einer ebenso großen Zahl von Ferkelerzeugern zusammen. Die paritätische Besetzung sorgt dafür, dass die Händler bei der Preisfindung ihre Marktmacht nicht über Gebühr ausspielen können, die sie beim realen Einkauf den Landwirten gegenüber zweifellos haben. Denn es gibt nur wenige Ferkelhändler aber eine Vielzahl von Ferkelerzeugern, die auf die Dienste der Vermarkter angewiesen sind.
Wie beim Kernobst wird auch die Ferkelnotierung von einem neutralen Fachmann bei der staatlichen Marktberichts- und Studienstelle betreut. Er hat vergleichbare Aufgaben:
Laufend den Ferkel- und Schlachtschweinemarkt beobachten und Marktinformationen sammeln.

Montagvormittags die über das Wochenende eingegangenen Umsatz- und Preismeldungen der Ferkelhändler für die Vorwoche zusammenfassen und Durchschnittspreise und Preisspannen errechnen. Am Montagnachmittag von seinem Schreibtisch aus die Notierung leiten, die als Telefonkonferenz stattfindet. Unmittelbar danach die Notierungsergebnisse zum Abruf in die Informationsmedien einstellen und an die regionalen Tageszeitungen senden, die sie im Marktteil ihrer Dienstagsausgaben abdrucken.

Der neutrale Fachmann eröffnet die Konferenz und gibt nach seinem Kenntnisstand einen Überblick über die Marklage für Ferkel und Schlachtschweine zu Beginn der neuen Woche. Den anschließenden Gesprächsaustausch nutzen die Händler, um Informationen aus ihrem Geschäftsgang einzubringen, in der Regel zum eigenen Vorteil. Die Landwirte antworten darauf entsprechend und bringen ihre Gegenargumente vor; man kennt sich. Dann folgt die Preisfindung. Der Berichterstatter gibt zunächst die Ergebnisse der Händlermeldungen für die Vorwoche bekannt: Ferkelumsätze und vor allem Durchschnittspreis und Preisspanne in vollen Euro für ein Ferkel in Standardqualität als Teil einer marktüblichen Handelsmenge. Dann wird jedes Kommissionsmitglied, immer zwischen Erzeuger und Vermarkter wechselnd, einzeln aufgerufen, seine Einschätzung über die Preistendenz des Tages im Vergleich zum Vorwochenpreis abzugeben: ,plus 1, 2, 3 …. ‚ ,minus 1, 2, 3 ….. ‚ oder ,gleichbleibend. Der Notierungsleiter errechnet ,blitzschnell‘ den Durchschnitt der genannten Zu- oder Abschläge und gibt ihn bekannt. In Verbindung mit dem Vorwochenpreis ergibt das die Notierung.

Im Laufe der Zeit stellt sich bei den Mitgliedern der Notierungskommission ein gewisses Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gemeinschaft ein. Sie wollen der Allgemeinheit dienen, so gut sie es vermögen, ohne allerdings ganz ,aus ihren Schuhen schlüpfen‘ zu können. Das ergibt genau die richtige Mischung für eine Preisfindung: die eigenen Interessen vertreten, aber das Gemeinwohl mit einbeziehen.