„Weniger ist mehr – für Bauern, Tiere und Umwelt“

Liebe Leserinnen und Leser,

„Weniger ist mehr – für Bauern, Tiere und Umwelt“
titelt der BÖLW in einem Diskussionsbeitrag zum Milchgipfel am 30. Mai in Berlin: „Weniger Milch, mehr Qualität, mehr Einkommen: Extensivierung als Schlüssel zur Lösung der Milchkrise“
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hatte einige Vertreter der Milchwirtschaft Ende Mai zum „Milchgipfel“ nach Berlin geladen. „Kurzfristige Finanzspritzen reichen nicht aus“, betont der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein anlässlich von Milchkrise und -Gipfel. Wesentliche Anteile des Futters für die Überproduktion wachsen nicht auf heimischem Grund sondern auf den Sojafeldern Südamerikas. Zu viel Kraftfutter und eine Tierzucht, die nur auf Turboleistungen setzt, schaden der Tiergesundheit und verschärfen den Teufelskreis von Milchüberschüssen und Tiefstpreisen. „Da muss sich grundsätzlich etwas ändern“, so Löwenstein. „Wir müssen die Kuh von unseren eigenen Flächen und mit weniger Kraftfutter ernähren. Das nützt der Umwelt, den Tieren und den Bauern. Weniger Kraftfutter ist besser für Tiere und Umwelt und die Milchmenge wird gesenkt.“
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (20.000 Mitglieder), nicht zum Milchgipfel geladen, sieht die Lösung der Milchkrise ebenfalls in der Senkung des Angebots. Um das zu erreichen, sollten staatliche Unterstützungen nur die Bauern erhalten, die ihre Milchlieferungen reduzieren, so Manfred Gilch vom bayerischen Milchviehhalterverband. Wer zu Zeiten der Milchquoten (bis 2015) mehr lieferte, musste Strafzahlungen leisten. So sind in Europa 1,2 Milliarden Euro zusammengekommen. Dieses Geld könnte man jetzt ausgeben (vgl. Nürnberger Nachrichten vom 31.05.2016, S. 17).
An der gegenwärtigen Milchkrise erleben wir, wohin es führt, wenn assoziative Zusammenarbeit fehlt: Es herrschen die Marktgesetze: großes Angebot = sinkende Preise. Die marktstarken Einzelhandelsketten diktieren den Molkereien und diese den Milchbauern die Preise. Mit 20 Cents pro Liter kann ein Milcherzeuger mit 70 – 80 Kühen wirtschaftlich langfristig nicht existieren; viele Betriebe geben auf. Die Konzentration und damit die Industrialisierung in der Landwirtschaft schreiten weiter voran. Das marktwirtschaftliche Prinzip darf nicht für die Landwirtschaft gelten!
Würden sich alle am Milch-Wirtschaftsprozess Beteiligten in einer Milch-Assoziation besprechen, also Vertreter der Milchbauern, Vertreter von Molkereibetrieben, Vertreter der Großhändler und Einzelhandelsketten und Verbrauchervertreter, so wären die gegensätzlichen Interessen damit zwar nicht aufgehoben, aber man würde die Argumente der anderen Beteiligten verstehen und daran seine eigenen Vorstellungen korrigieren lernen. Qualitäten könnten besprochen, Quoten verabredet, Strafzahlungen für Mehrlieferungen vereinbart werden, die zu Hilfszwecken für notleidende Milcherzeuger bereit stünden. So könnte sich die Milchwirtschaft selber helfen – ohne staatliche Beteiligung und ohne Einsatz von Steuergeldern.
Bio-Verbraucher, Bio-Einzel- und Großhändler, Bio-Molkereien haben ein größeres Verständnis für „ihre“ Landwirte und zahlen ihnen korrekte Milchpreise. Sie wollen, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft erhalten bleibt, denn sie sorgt über die Nahrungsmittelversorgung hinaus für Bodenregeneration, Landschaftspflege, Klimaregulierung, Artenschutz.
In der Molkerei Schrozberg fand kürzlich auch ein erstes assoziatives Gespräch statt. Am Tisch saßen Vertreter der Milchbauern, der Molkerei, Wissenschaftler und Verbraucher. Thema waren Qualitätsunterschiede. Es waren verglichen worden Demeter-Qualitäten mit anderen Bio-Qualitäten und konventionellen Qualitäten. Ich werde demnächst darüber berichten.
Lesen Sie heute in Rubrik 1 dieses Briefes einen Beitrag zu einer von Otto Jachmann selbst ausprobierten Alternative zur Marktpreisbildung. Durch sie wird das Prinzip des Wettbewerbs um die Komponente der Verlässlichkeit ergänzt.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter