Wirtschaft der Liebe – Elemente einer künftigen Wirtschaftsordnung

Auszug aus: Wolfgang Ritter, Wirtschaft der Liebe – Elemente einer künftigen Wirtschafts-ordnung, Verlag Ch. Möllmann, Borchen 2015, Teil 2 (Teil 1 in Info-Brief 43)
Man schafft sinnvollerweise Branchen-Assoziationen und bildet regionale Untergliederungen. Die Vertreter der am Wirtschaftsprozess Beteiligten kommen zu den gemeinsamen Gesprächen natürlich mit ihren jeweiligen Vorstellungen: die Erzeuger wollen einen möglichst hohen Erlös, der Handel eine möglichst hohe Marge erzielen, die Verbraucher einen möglichst niedrigen Preis zahlen. Die Egoismen sind also in den Assoziationen nicht aufgehoben, aber sie finden hier ein Gegengewicht. Man gewinnt Verständnis füreinander, wenn man die Positionen der anderen kennenlernen kann.
Man könnte Kalkulationen für einzelne Produkte besprechen und hören, welchen Anteil am Verkaufspreis jeder am Wertschöpfungsprozess Beteiligte braucht, um nachhaltig wirtschaften zu können. So könnte es für einige lebensnotwendige Produkte zu einem Preis kommen, den jeder Beteiligte verstehen, akzeptieren und begründen kann. Der gefundene Verkaufspreis könnte als Empfehlung gelten; man könnte ihn auch veröffentlichen.
Die assoziative Wirtschaft nimmt eine Position zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft ein. In der Planwirtschaft wird der Preis bürokratisch festgelegt; man kann damit regeln, was billig und was teuer sein soll. In der Marktwirtschaft kalkuliert zwar jeder Anbieter seinen Verkaufspreis, unterwirft ihn aber dem Urteil der Käufer, die ihn akzeptieren oder verwerfen können, in dem sie kaufen oder nicht kaufen. „Da ist im Grunde genommen niemand persönlich verantwortlich. Die Marktideologie spricht uns von sozialer Verantwortung frei.“ (Strawe: Solidarisches Wirtschaften: Aufgaben, praktische Ansätze, Perspektiven, in: Spitta, Dietrich (Hrsg.): Die Herausforderungen der Globalisierung, Stuttgart (2010), S. 123). Diese Verantwortungslosigkeit wird durch Zusammenarbeit in Assoziationen aufgehoben.
Eine assoziative Zusammenarbeit macht nur Sinn, wenn sie nach Branchen und Regionen gegliedert erfolgt. In einer Branchen-Assoziation für Bio-Erzeugnisse zum Beispiel sollten Vertreter der Bio-Erzeuger, der Bio-Groß- und Einzelhändler und der Bio-Verbraucher zusammenkommen. Die Bio-Erzeuger und Bio-Händler haben Verbände, aus denen sie Vertreter in Bio-Branchen-Assoziationen entsenden könnten. Die Bio-Verbraucher sind kaum organisiert. Als mir das 2004 klar wurde, gründete ich mit befreundeten Verbrauchern den Bio-Verbraucher e.V.
Erste Schritte: Persönlichkeiten des Bio-Verbraucher e.V. haben Hunderte Bio-Unternehmen – überwiegend in der Metropolregion Nürnberg – , aber auch in Feriengebieten (Ostsee und Alpenvorland) besucht, ihnen bekundet, dass die Bio-Verbraucher ihre Arbeit schätzten und viele für eine Zusammenarbeit im Bio-Verbraucher e.V. gewonnen. Auch mit den Bio-Anbau-Verbänden und anderen Organisationen, die sich für die Bio-Nahrungsmittel-Erzeugung und eine gesunde Umwelt engagieren, werden regelmäßig gemeinsame Projekte verwirklicht. In der Bio-Metropole Nürnberg wird seit vielen Jahren eine tri-sektorale Zusammenarbeit zur Förderung des Bio-Konsums gepflegt. Tri-sektoral heißt: Es treffen sich Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.
Nächste Schritte: Die Zusammenarbeit in Bio-Assoziation auf regionaler und nationaler Ebene, könnte erfolgen, wenn der Bio-Verbraucher e.V. über Nordbayern hinaus wachsen würde und die Bio-Erzeuger- und Händlerverbände ihn als gleichwertigen Partner akzeptieren könnten. Damit das eintreten kann brauchen wir
mehr Mitglieder im Bio-Verbraucher e.V. über ganz Deutschland/ Europa verteilt. Es gilt das Gesetz der großen Zahl. Zur Erreichung dieses Zieles kann jeder beitragen, dem die Assoziationsbildung ein Anliegen ist.
Persönlichkeiten, die den Bio-Verbraucher e.V. in verschiedenen Regionen vertreten, Kontakte zu Bio-Verkaufsstellen herstellen und Mitglieder werben. Diese Aufgabe könnten sich mehrere Persönlichkeiten vornehmen – zunächst ehrenamtlich oder nebenberuflich mit einem Nebenerwerbseinkommen.