Juncker stellt Gentechnik-Minireform vor

Juncker stellt Gentechnik-Minireform vor

Informationsdienst Gentechnik vom 22.04.2015 (Auszug), info@keine-gentechnik.de
Die EU-Kommission hat heute ein Anliegen ihres Präsidenten Jean-Claude Juncker abgesegnet: er will einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen in Lebensmitteln oder Tierfutter zu untersagen. Neue Genehmigungen sollen dadurch schneller erteilt werden – 17 Gentechnik-Pflanzen warten zurzeit auf eine Importzulassung. Doch nicht nur Gentech-Gegner sind mit den Plänen unzufrieden.
Sie glauben, dass die einzelstaatlichen Verbote vor Gericht keinen Bestand hätten. Zudem gebe es wirtschaftliche Auswirkungen. „Es liegt auf der Hand, dass insbesondere der Handel mit unkalkulierbaren finanziellen Risiken und Koexistenz-Kosten für gentechnikfreie und gentechnisch veränderte Ware belastet wäre“, schreiben die Grünen. „Aber auch Landwirte und Verbraucher würden draufzahlen, da diese Kosten erfahrungsgemäß immer an Erzeuger und Konsumenten weitergereicht werden.“
Zudem, so die von Umwelt- und Landwirtschaftsvertretern geteilte Kritik, sei dies nicht der große, demokratische Wurf, den Juncker vor seinem Amtsantritt im letzten Jahr versprochen habe. Er hatte angekündigt, in Abstimmungen über Gentechnik-Zulassungen den politischen Mehrheiten mehr Gewicht zu verleihen. Denn das für verbindliche Entscheidungen nötige Quorum wurde bislang fast immer verfehlt, worauf die Kommission den Konzernen die Genehmigung erteilte – auch wenn mehr Mitgliedstaaten dagegen gestimmt hatten als dafür.

Der Bio-Verbraucher e.V. kritisiert Junckers Reform
Wolfgang Ritter, Vorstand Bio-Verbraucher e.V.
CT: Es gibt Modelle, bei denen die Industrie an den Kosten beteiligt wird, zum Beispiel bei der Atom- oder Pestizidindustrie. Das gibt es bei der Biotechnologie bislang nicht, soweit ich weiß. Auch partizipative Verfahren zur Verteilung von Forschungsgeldern sind nicht üblich. Bei der Energiewende sind die Umweltverbände ja recht eng eingebunden, aber in den Bereichen Technologie, Innovationsförderung oder in der Umsetzung von Forschungsprogrammen spielt die Zivilgesellschaft derzeit keine Rolle.
Wir haben Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt folgenden Brief geschrieben:

Sehr geehrter Herr Bundeslandwirtschaftsminister,
Kommissionspräsident Juncker hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, das EU-Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen zu verbessern und demokratischer zu gestalten. Sein jetzt vorgelegter Vorschlag wird diesem Postulat nicht gerecht. Wir kritisieren insbesondere zwei Punkte:
Sein Konzept der „vergleichenden Risikoprüfung“, nach dem Gentechnik-Pflanzen geprüft werden sollen, ist ungeeignet. Die Daten, die von der zuständigen EU-Prüfbehörde EFSA zur Zulassung der Gentechnik-Pflanzen herangezogen werden, genügen oft nicht wissenschaftlichen Standards, stammen häufig von den Unternehmen, die die Zulassung beantragen, werden als Betriebsgeheimnisse unter Verschluss gehalten und können somit nicht durch unabhängige Untersuchungen überprüft werden. Statt mit Verflechtungen zur Industrie aufzuräumen und kritische Wissenschaftler in den Beurteilungsprozess mit einzubeziehen, wird die Machtposition der EFSA als alleinige und unanfechtbare Instanz der Risikobewertung weiter gestärkt. Statt diese Behörde, die immer wieder durch wenig verlässliche Risikobewertungen und eine auffällig gentechnikfreundliche Haltung auffiel, zu reformieren, soll sie nun auf gesetzgeberischem Weg der Kritik der Mitgliedsstaaten entzogen werden. Das ist unwissenschaftlich und undemokratisch!
Sein Vorschlag, die Entscheidung über die Einfuhr und Vermarktung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel an die Mitgliedsstaaten zurückzudelegieren, bedeutet eine Absage an eine gemeinsame Europa-Politik in dieser Angelegenheit. Die Kommission will nicht mehr entscheiden müssen, weil sie so oft im Fokus der öffentlichen Kritik stand. Eine überwältigende Mehrheit der europäischen Bevölkerung will keine Gentechnik auf Acker und Teller. Diese klare Mehrheit der europäischen Bevölkerung muss endlich berücksichtigt werden durch Beteiligung des EU-Parlaments am Zulassungsverfahren.
Herr Bundeslandwirtschaftsminister, setzen Sie sich für eine Verbesserung des Gentechnik-Zulassungsverfahrens im Sinne der Bürger ein. Lassen Sie sich nicht mit dem Vorschlag einer Renationalisierung abspeisen. Legen Sie konkrete Vorschläge vor, wie die verpflichtende Kennzeichnung tierischer Produkte, die mit Gentechnik-Futtermitteln hergestellt wurden, umgesetzt werden soll. Diese Hausaufgabe hatte sich die Bundesregierung mit dem Koalitionsvertrag vorgenommen.