Foto: Christoph Strawe

Elemente einer Ökonomie ohne Wachstumszwang

Ein wichtiger Aspekt des Wachstumszwangs ist die Koppelung der Einkommensbildung an die Arbeit. Unabhängig davon, wie man im Einzelnen die kursierenden Vorschläge für ein Grundeinkommen bewertet und wie man zu der geforderten „Bedingungslosigkeit“ steht, ist die These, dass das Einkommen von der traditionellen Erwerbsarbeit entkoppelt werden muss, schwer abweisbar. Dass Konzernverantwortliche wie der Siemens CEO Josef Kaeser vor sozialen Spannungen durch die Digitalisierung warnen und für ein Grundeinkommen plädieren, ist ein Symptom für den Problemdruck an dieser Stelle. Dabei geht es auch um Inklusion und Selbstverantwortung der Ökonomie – um eine nachhaltige Ökonomie, die so gestaltet ist, dass Vernunft in die sozialen Prozesse kommt, damit das Wirtschaften ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig werden kann.

Assoziative Wirtschaft
„Assoziative Wirtschaft“ ist eine praktische Antwort auf diese Frage. In einer assoziativen Wirtschaft wird dem objektiven Altruismus der Arbeitsteilung Rechnung getragen, Kooperation geht vor Konkurrenz. Die Wirtschaft verwaltet sich selbst durch Organe, in denen eine Abstimmung zwischen Produktion, Zirkulation und Konsum stattfinden kann. In der assoziativen Bedarfswirtschaft versucht man, die betriebswirtschaftliche Sicht nicht zu verabsolutieren, sondern vom Ganzen her zu denken. Damit können die ökologischen Folgen ökonomischen Handelns von vornherein einbezogen werden, bis in die Preisgestaltung hinein. Heute dagegen sprechen die Preise nicht die ökologische Wahrheit (Ernst-Ulrich von Weizsäcker).

Fähigkeitenwirtschaft
Assoziatives Wirtschaften soll ermöglichen, die Früchte der Ökonomie besser zu verteilen, Stauungen und Blasen durch organische Entwicklungsprozesse zu vermeiden. Überschusskräfte werden frei für Gemeinaufgaben und geistiges Leben. Neben Kaufen und Kreditieren wird das Schenken zur ökonomischen Kategorie. Wirtschaft lebt nicht vom Geld, sondern von den Fähigkeiten von Menschen, deren Wirksamwerden durch Geld ermöglicht wird. Wir müssen über die Geldwirtschaft hinausgehen und zur Fähigkeitenwirtschaft kommen. Ein assoziatives Wirtschaften erfordert letztlich auch eine Überwindung der Scheinmarktwirtschaft durch eine Neuordnung des Eigentums.

Stirb und Werde
Die Auflösung des Wachstumsdilemmas ist also nicht nur eine Frage der Entwicklung von Bewusstsein, Einsicht und Veränderung von Lebensstilen, sondern auch der assoziativen Neugestaltung der Einrichtungen des Wirtschaftslebens. Heute wollen alle nur wachsen. Da wir aber nur eine Erde besitzen, werden wir lernen müssen, Solidarität untereinander und mit der Natur zu üben. Auch im sozialen, im wirtschaftlichen Leben müssen Einrichtungen zugrunde gehen können, um Neuem Platz zu machen. Dies darf aber in der Gesellschaft nicht über gewaltsame Formen erfolgen. Etwas sterben zu lassen im Sozialen ist eine Kunst. Wir müssen eine solche Kultur des Sterbens erst noch entwickeln.
W.R./ Ausschnitt aus: Christoph Strawe, Wachstum und Entwicklung, in: Sozialimpulse Nr.1, März 2018