Foto: W.R.

Sieben Prinzipien der Hof-Idee

Ausschnitte aus einer Nachschrift eines Vortrages von Ueli Hurter

Ich will zurückkommen auf den Hof als der mittleren Ebene zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos. Wie das funktionieren könnte, habe ich mir in meiner Werkstatt etwas zurechtgelegt und komme dabei auf sieben Prinzipien, die den Hof darstellen.

Erstes Prinzip: Der Boden – Verlebendigung der Erde

Der Boden scheidet Oben und Unten. Wir haben eine obere Lichtwelt und eine untere Finsterniswelt, die polar aufeinander bezogen sind. Dort, wo sie sich treffen, ist der Boden. Wir haben das Zwerchfell als Bild für den Boden angesprochen. Der Boden soll nach unseren Idealvorstellungen ein atmendes Zwerchfell sein und nicht einfach eine gerade Linie, wo beide Sphären aufeinanderprallen. Es ist die Grundgeste der bodenbürtigen Landwirtschaft, das Untere in das Obere und das Obere in das Untere zu tragen. Diese Grundpolarität, die sich ausdrückt im fruchtbaren Boden, ist für die Landwirtschaft konstitutiv. An der Grenze, wo Unteres und Oberes sich durchdringen, sind wir tätig.

Zweites Prinzip: Die Pflanzen – Beziehung zwischen Erde und Kosmos

Die Pflanze wächst vertikal, von unten nach oben, und von oben nach unten. Sie manifestiert in ihrem Lebensvollzug die Vertikale. Da die Erde nicht eine Fläche ist, sondern eine Kugel, wächst jede Pflanze mit ihrer Wurzel zum Erdmittelpunkt. Radial wachsen alle Pflanzen hinaus in den Umkreis zur Sonne. Diese Senkrechte ist das eigentlich lebendig Verbindende zwischen Oberem und Unterem. Die sehr verschiedenen Pflanzen zeigen einen vielfältigen Ausdruck des Vertikalprinzips. Die Pflanzen können physiologisch das Licht verstofflichen, hinuntertragen und durch die Wurzelexsudate in den Boden bringen. In der umgekehrten Richtung geht die wässerig gelöste Mineralität der Erde nach oben und bildet in Stängel und Blättern substantiell die grüne Pflanze. Der Süßwasserstrom fließt von oben nach unten, der Salzwasserstrom strömt von unten nach oben.

Drittes Prinzip: Die Tiere – Bildung des Hoforganismus

Als nächster Schritt kommen die Tiere dazu. Ich zeichne hier eine Kuh, und die frisst fast alles, was während eines Jahreslaufes auf dem Hof wächst. Sie gibt Milch und Mist. Die Milch verkaufen wir, den Mist behalten wir. Den Mist können wir anrotten oder kompostieren, und damit düngen wir den Boden. Damit haben wir jetzt einen Substanzstrom, der zum ersten Mal in der Kuh, zum zweiten Mal im Komposthaufen und zum dritten Mal im Boden verdaut wird, und so schließt sich dieser Kreislauf. Und weil diese Involutionen in dem Kreislauf sind, ist das in sich fruchtbar und trägt über die Zeit. Und damit haben wir eigentlich den landwirtschaftlichen Organismus gebildet, dieser seelisch konstituierte Raum ist jetzt vorhanden. Das ist ja einer der großen Inhalte dieser Hofidee –agronomisch gesprochen –, dass der Substanzkreislauf geschlossen ist. Jetzt muss man sich innewerden, dass dieses Schließen des Substanzkreislaufes nicht ein Ziel in sich ist, sondern die Grundlage dafür, dass der Organismus sich neu öffnen kann, was das vierte Prinzip ist.

Viertes Prinzip: Die Präparate – Weckung der Hofindividualität

Die Hand voll Mist im Kuhhorn bringt das Ganze auf den Punkt. Wenn ich das herstelle, rühre und ausbringe, dann öffne ich den Hof gegen unten, prinzipiell gesehen bis zum Erdmittelpunkt. Der scheinbar geschlossene Betrieb wird jetzt durch mein Wirken gegen unten in die Erdentiefen geöffnet. Polar dazu, mit dem Kieselpräparat, öffne ich den Hof gegen oben, prinzipiell gesehen bis zur Sonne. Mein Betrieb ist nicht mehr nur 40 Hektar groß, sondern er ist auch 10 Kilometer hoch und einige hundert Meter tief. Es ist eine Geste des Aufwachens in eine neue Dimension der Vertikalität, die ich mit den Spritzpräparaten bewirke. Mit den Kompostpräparaten – Schafgarbe, Kamille, Brennnessel, Eichenrinde, Löwenzahn, Baldrian – wirke ich mehr in einer Ausweitung in horizontaler Richtung. Die Fähigkeitsbildung durch die Kompostpräparate, die mit dem Mist und dem Kompost im ganzen Betrieb ausgebracht werden, bedeutet eigentlich, dass der Betrieb sich so vernetzen kann, dass, selbst wenn eine Substanz hier nicht vorkommt, sie an dem Ort wirkt, wo sie nötig ist.

Fünftes Prinzip: Landschaftsgestaltung – Pflege der Natur

Und jetzt könnte man sagen, wir sind landwirtschaftlich zu Ende, damit haben wir die Biodynamik. Aber, von diesem Punkt aus, von dieser Individualität aus, geht es weiter zu Prinzip fünf, zum Wirken über den Hof hinaus: Landschaftsgestaltung, Klimagestaltung bis hin zum Grundwassermanagement. Von so einem Ort aus kann jetzt in die umgebende große Natur hinein gestaltet werden. Das ist groß gesprochen, aber ich glaube, es gibt Beispiele, die alle auch bei sich beobachten können, eine Art Ausstrahlen von einem Kraft-Ort.

Sechstes Prinzip: Nahrung vom Hof für die Menschen

Das zweite Ausstrahlende ist, dass Nahrungsmittel entstehen, die sich aus dem landwirtschaftlichen Produktionsprozess ablösen und in den sozialen Organismus gehen können für alle die Menschen, die nicht (mehr) in der Landwirtschaft arbeiten. Der Hof ist eine produktive Einheit. Ich sähe 200 kg/ha Weizen und ernte 4.000 kg/ha und entsprechend bei allem Anderen. Das ist eine unwahrscheinlich hohe Produktivität. Der Weizen muss den Hof verlassen, damit der Hof nicht  erstickt. 4.000 kg/ha kann man nicht säen, aber ernten sehr wohl. Lediglich ein Zwanzigstel des Geernteten muss zurückbehalten werden – 200 kg. Das beinhaltet die ganze Frage der Nahrungsmittelproduktion, der Qualität und der Konsumtion.

Siebtes Prinzip: Soziale Transformation

Das dritte Ausstrahlende ist, dass eine Art Basis dadurch entsteht, dass jetzt Sozialgestaltung realiter möglich ist. An vielen biodynamischen Orten ist ein anfänglich keimhaftes, aber reell existierendes Experimentieren und Prototypisieren einer anfänglichen dreigliedrigen Sozialgestaltung möglich und auch Realität. Das gehört mit zur Hofidee dazu.

Quelle: Demeter Bayern | Rundbrief Nr. 146, März 2020