Das Forum für Internationale Agrarpolitik e.V. (FIA) hat ein Rollenspiel für Jugendgruppen entwickelt, in dem sich Jugendliche ab 16 Jahren mit dem Thema Wie werden alle satt? – Welternährung in Zeiten der globalen Klimaveränderung auseinandersetzen. Es werden acht Kleingruppen gebildet, die folgende Rollen spielen:
- Vertreter*in Klimaschutzorganisation
- Vertreter*in Agrarhandelskonzern
- Vertreter*in Saatgut- & Chemiekonzern
- Vertreter*in Entwicklungsorganisation
- EU-Abgeordnete*r grün
- Landwirt*in Hähnchenmast, konventionell
- EU-Abgeordnete*r wirtschaftsnah
- Bauer/Bäuerin Globaler Süden
Das Rollenspiel sollte mindestens 90, eher 120 Minuten dauern – plus Zeit für die Einführung ins Thema. Zur Vorbereitung und Durchführung des Rollenspiels stehen 20 DIN-A-4-Seiten zur Verfügung, auf denen Ablauf und Vorbereitung, Einstieg ins Thema, die Rollen, Begriffsklärungen & Hintergrundinformationen, Filmtipps, Quellen und Impressum geboten werden. Das Rollenspiel wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert. Wir geben hier die Rolle 3 wieder.
Vertreter*in eines Saatgut- & Chemiekonzerns
Du bist Pressesprecher*in eines führenden, internationalen Saatgutunternehmens, das auch Agrarchemikalien herstellt. Fast 80 % deines Umsatzes macht dein Unternehmen mit gentechnisch verändertem Sojasaatgut. Das Saatgut verkauft ihr in Kombination mit Agrarchemikalien. Das Saatgut ist nämlich so verändert, dass es einem Breitbandherbizid standhält. So können alle Unkräuter bequem vernichtet werden, ohne dass die Sojapflanze Schaden nimmt. Dein Geschäft läuft gut, deine Gentech-Soja besticht durch hohe Erträge und wird rund um den Globus angebaut – v.a. in Südamerika. Die Abnehmer*innen müssen immer wieder neues Saatgut bei dir erwerben – denn du konntest die gentechnische Veränderung patentieren lassen! Das macht dein Geschäft besonders lohnenswert, weil du über die Patente Geld verdienst.
Bislang sind deine Abnehmer vor allem Agrarindustrielle, die Soja in großem Stil anbauen. In letzter Zeit versuchst du aber, dein gentechnisch verändertes Saatgut auch bei einer weiteren Kund*innengruppe zu platzieren: Kleinbauern/Kleinbäuerinnen! Da es gar nicht so einfach ist, mit dieser Gruppe in Kontakt zu kommen, hast du dich an die Regierungen mehrerer Länder gewandt, unter anderem Tansania. Ihr plant jetzt gemeinsam Schulungsprogramme für eine bessere landwirtschaftliche Produktivität – dabei kannst du direkt dein Saatgut und deine Agrarchemikalien bewerben und anbieten. Du freust dich, weil es ein gutes Geschäftsmodell für dich ist!
Es gibt aber auch negative Entwicklungen: Aktuell hast du es mit einer Bürger*innen-Initiative aus Argentinien zu tun, die dir die Verunreinigung von Wasser und Luft durch die Agrarchemikalien vorwirft. Die Initiative hat dir Fotos von missgebildeten Neugeborenen zukommen lassen und eine Statistik über gestiegene Zahlen von Krebserkrankungen in der Region erstellt – sie bezieht all das auf den Einsatz deines Breitbandherbizids! Du hältst das für absurd, schließlich stammen die Chemikalien von einer deutschen Firma und du bringst sie in erlaubter Menge auf die Felder. Die Bürger*innen-Initiative droht nun aber, gerichtlich gegen dich vorzugehen. Diese negative Öffentlichkeit stresst dich etwas, aber du hast gute Anwält*innen und vertraust darauf, dass sie dich herausboxen werden.
Eine andere Entwicklung, die du zurzeit im Auge behältst, ist der Klima-Aktivismus. Tierhaltung und die damit verbundene Futtermittelproduktion werden von immer mehr NGOs für die Klimaerwärmung maßgeblich verantwortlich gemacht. Da deine Gentech-Soja fast ausschließlich der Futtermittelproduktion dient, könnte darunter auch das Image deines Unternehmens leiden. Du betreibst daher verstärkt Öffentlichkeitsarbeit, um den Nutzen v.a. von gentechnisch verändertem Saatgut zu propagieren: Denn gerade gentechnische Veränderungen, die mehr Trocken- oder Hitzeresistenz von Agrarpflanzen hervorrufen, könnten die Welternährungssituation langfristig stabilisieren, da bist du sicher (Ernährungssicherung)! Für die Vermittlung deines Anliegens ist etwas hinderlich, dass es für Saatgut dieser Art bislang kaum Beispiele auf dem Markt gibt. Außerdem ist unter den weltweit meist verwendeten Gentech-Saatgütern (Soja, Mais, Raps, Baumwolle) Mais die einzige Grundnahrungsmittelpflanze. Du bist dir aber sicher, dass sich diese Situation in Zukunft ändern wird!