Wenn wir Konsumenten mehr für Lebensmittel ausgeben, dienen wir damit nicht unbedingt dem Tierwohl und einer nachhaltigen Landwirtschaft

Liebe Leserinnen und Leser,
Matthias Wolfschmidt von foodwatch führt Gründe an, warum wir Konsumenten durch Mehrausgaben für Lebensmittel nicht unbedingt dem Tierwohl und einer nachhaltigen Landwirtschaft dienen.
• Als zentralen Fakt nennen Frau Klöckner und andere, dass wir in Deutschland nur einen geringen Anteil (etwa zehn Prozent) unseres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Das stimmt, und das ist – prozentual – weniger als etwa in Italien oder Frankreich. Das belegt jedoch nicht die These von einer scheinbar kollektiven Geiz-ist-geil-Mentalität: Die geringen Pro-Kopf-Anteile sind nämlich kein Zeichen für eine mangelnde Wertschätzung für Lebensmittel, sondern ganz einfach Ergebnis unseres Wohlstands und anderer ökonomischer Umstände. Denn wir müssen nur deshalb einen so geringen Anteil unseres Einkommens für Essen ausgeben, weil unser Einkommen so hoch ist (viel höher als in Italien oder Frankreich) – und weil die Lebensmittelpreise wegen des massiven Konkurrenzkampfs der Handelskonzerne deutlich niedriger sind als in diesen Ländern. Was uns hier als vermeintliche Logik verkauft wird, ist in Wahrheit ein Trugschluss. Denn wenn die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt 80 Prozent ihres Einkommens oder mehr für Essen ausgeben, so ist dies schließlich auch keine Frage ihrer Einstellung – sondern die blanke Not. Eigentlich ist es ganz einfach: Wer viel Geld hat, kann sich viel Luxus leisten und muss nur einen kleineren Anteil für Notwendiges wie Essen ausgeben.
• Besonders plump ist die Forderung, Verbraucherinnen und Verbraucher sollten doch einfach mehr Geld für Essen ausgeben – und damit den Eindruck zu erwecken, als würde dies die Probleme in Landwirtschaft und Tierhaltung lösen. Ohne Zweifel: Gerade Fleisch und tierische Lebensmittel werden oft viel zu billig angeboten. Erhält ein Bauer nur Dumpingpreise, kann er damit keine hohen Standards beim Umweltschutz oder in der Tierhaltung bezahlen. Doch meist haben wir das alles beim Einkauf gar nicht in der Hand: Kaufen wir das teuerste Produkt, heißt das nämlich längst nicht, dass zum Beispiel ein Bauer davon profitiert und dann plötzlich anders produzieren kann – den höheren Profit streichen vor allem die Supermärkte und Lebensmittelhersteller ein, ohne dass die Standards in der Produktion verbessert werden.
• Wer ehrlich ist, sollte auch sagen: Ein höherer Preis garantiert bei Lebensmitteln gerade keine höhere Qualität. Die teure Markenmilch stammt womöglich von denselben Kühen und aus denselben Bedingungen wie das billigere No-Name-Produkt, das im Regal daneben steht. Das teure Fleisch ist teurer – aber stammt es deshalb von gesunden Tieren? Das alles erfahren wir nicht. Zu den teuersten Lebensmitteln, gemessen an den Produktionskosten, gehören zum Beispiel kleine probiotische Joghurts mit haltlosen Gesundheitsversprechen, Limonaden oder Junk Food von Markenherstellern, oftmals hergestellt mit billigem Zucker, billigem Palmfett, billigen Zusatzstoffen – die Produkte sind also teuer, aber eben gerade nicht von hoher Qualität.
Quelle: foodwatch newsletter vom 18.01.2020

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter