Nachhaltige Landwirtschaft braucht Rinder

Ulrich Mück, Berater beim Demeter-Verband, nimmt die vermeintliche Klimaschädlichkeit
der Nutztierhaltung ins Visier

„Esst Bio-Rindfleisch aus regionaler Produktion!“ diesen Slogan würde Ulrich Mück vom Demeter- Erzeugerring Bayern am liebsten überall plakatieren. Denn seine Befürchtung ist: Aufgrund der vielen unbestätigten und irreführenden Zahlen und Statistiken im Kontext von Nutztierhaltung und Klimawandel würden auch eingefleischte Biokunden in eine fleischlose Lebensweise abdriften. Er weiß: Ohne Rinderhaltung gibt es keinen Ökolandbau mit geschlossenen Betriebs-Kreisläufen. Mit seinem Vortrag „Braucht nachhaltiger Ökolandbau Rinder?“ ist er deshalb auf Einladung des Bio-Ring Allgäu und den Ökomodellregionen durchs Allgäu gezogen, um diese Tatsache mit zahlreichen Statistiken und Expertisen erneut ins Bewusstsein zu rufen.

Mück unterstreicht die große Bedeutung der Rinder für die Landschafts- und Bodengeschichte der Erde. „Über Jahrtausende gab es eine Koexistenz unserer Graspflanzen und -tiere mit grasfressenden Rindern“, betont er. Nur durch den Biss der Rinder würden Gras und Kräuter zu neuem Wachstum angeregt. Und das Rind könne aus dem rohfaserreichen Gras für den Menschen wichtige Nahrung erzeugen. In der menschlichen Ernährung haben die „Getreidefresser“, deren Futter sich gutteils daraus zusammensetzt, den weitaus größten Anteil am Fleischverzehr. Seit 1990 hat sich ihr Anteil an der Tierhaltung in Deutschland gewaltig gesteigert: Puten (+121%), Masthähnchen (+182%), Schweine (+6%), Legehennen (+20%). Diese Tierarten machen 82,5% des Fleischkonsums aus und stehen in unmittelbarer Konkurrenz zur menschlichen Ernährung. Rindfleisch macht nur 14,8% des in Deutschland verzehrten Fleisches aus.

Mück entwirft ein Szenario: Hätten wir 100 Prozent Ökolandbau (im Moment etwa 10 Prozent bundesweit), wäre Europa unabhängig vom Futtermittelimport, es gäbe keine Pestizide und keinen synthetischen Dünger mehr. Gesunde Ernährungsformen würden sich verbreiten (weniger tierische Nahrungsmittel, mehr Früchte, mehr Gemüse) Grünlandflächen würden ausgedehnt und extensiviert. Ebenso die Weidehaltung. Es gäbe mehr Biodiversitätsflächen. Bei einem Produktionsrückgang um 35 Prozent im Jahr 2050 würden die Treibhausgase aus der Landwirtschaft um 45 Prozent reduziert, mehr Biodiversität erreicht und natürliche Ressourcen geschützt. Mück: „Bei diesem Szenario hat die Extensivierung und Ausdehnung der Weidehaltung eine Schlüsselrolle. Dies macht die Erhaltung und Neugliederung von Grünland, die Erzeugung von Kleegras und dadurch die Bodenfruchtbarkeit möglich. Sie trägt dazu bei, die Biodiversität zu erhöhen, die Klimaveränderung zu reduzieren und ermöglicht Tierhaltung in hoher Qualität.“ Sein Credo: Rinder sind für den nachhaltigen Ökolandbau unverzichtbar. Sie verwerten Grünland und das für den Öko-Ackerbau notwendige Kleegras. Sie hinterlassen wertvollen hofeigenen Dünger, so dass kein Düngerzukauf nötig ist.

Eine Zuhörerin bei Mücks Vortrag im Allgäu, selbst Biobäuerin, warf ein: „Wir müssen den Verbrauchern klar machen, dass wer Milch möchte, auch Fleisch essen sollte. Nur wenn eine Kuh kalbt, gibt sie Milch. Wo sollen wir sonst mit den männlichen Kälbern hin?“. Das sei im Bewusstsein der Verbraucher nicht so präsent.
Quelle: Demeter Bayern | Rundbrief Nr. 147, Juni 2020| Seite 13

Jedes vierte tierische Lebensmittel stammt von einem kranken Tier

Letzten Monat hat die Bundesregierung erschreckende Zahlen zu staatlichen Tierschutz-Kontrollen in deutschen Tierhaltungsbetrieben veröffentlicht: Sie werden nicht nur selten, sondern im Durchschnitt nur alle 17 (!) Jahre kontrolliert. Im Durchschnitt heißt, manchmal auch noch seltener. So in Bayern: Da finden Tierschutz-Kontrollen nur etwa alle 50 Jahre statt. Das bedeutet, dass manche Tierhalter ihr ganzes Berufsleben lang nicht kontrolliert werden!

Wir finden, dass diese Zahlen für sich sprechen und offizielle Äußerungen über das angeblich hohe Tierschutzniveau in Deutschlands Ställen als dreiste Ammen-Märchen entlarven. Zumal heutzutage eigentlich jeder weiß, dass es den Nutztieren in unserem wohlhabenden Land verzweifelt schlecht geht. Wir spüren, dass es einem Tier nicht wirklich gut gehen kann, wenn es auf kleinstem Raum gehalten wird und in vielen Fällen niemals das Tageslicht sieht, das täglich „Höchstleistungen“ zu bringen hat und Eier oder Milch in Rekordmengen abliefern muss. Oder „einfach nur“ so schnell wie möglich zu wachsen hat, damit es nach möglichst kurzer Zeit getötet werden kann.

Wir haben bei foodwatch tausende Daten aus zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten zusammengetragen und das Ergebnis ist niederschmetternd: Etwa jedes vierte (!) Nutztier in Deutschland ist krank. In manchen Betrieben sieht es noch viel schlimmer aus, in manchen besser. Doch im Durchschnitt bedeutet das, dass jedes vierte tierische Produkt, das wir kaufen und verzehren von einem kranken Tier stammt. Und sehr, sehr oft sind diese Krankheiten, die Schmerzen und die Leiden vermeidbar.

Um welche Krankheiten handelt es sich?
Kühe: Die häufigste Erkrankung von Kühen ist die extrem schmerzhafte Euterentzündung. Statistisch gesehen, stammt jeder vierte Liter Milch von einer Kuh mit Euterentzündung. Klauenerkrankungen, Gelenkveränderungen, Lahmheiten und Stoffwechselstörungen sind ebenfalls an der Tagesordnung.
Schweine: Sie leiden in vielen Fällen unter Klauen- und Gelenkentzündungen, blutigem Durchfall, nässenden Ekzemen, Gebärmutter- und Lungenentzündungen sowie eitrigem Augenausfluss, trockenem Brüllhusten und vielem mehr.
Hühner: Fast alle Masthühner sind auf maximalen Fleischansatz der Brustmuskulatur gezüchtet. Der Körperschwerpunkt ist in der Folge verlagert. Dadurch sind Hüften, Gelenke, Beine deformiert und sie humpeln und lahmen. Fußballenentzündungen sind die Regel. Jede zweite Legehenne leidet unter Knochenweiche und Knochenbrüchen. Eine Folge der hohen Legeleistung: Das für die Eierschalenbildung notwendige Kalzium wird den Knochen entzogen.

foodwatch setzt sich dafür ein, dass die Tiergesundheit in Zukunft DAS entscheidende Kriterium beim Nutztier-Schutz wird. Quelle: Matthias Wolfschmidt, foodwatch e.V., aktuell@foodwatch.de vom 03.08.2018, Ausschnitt