Konkurrenz oder Kooperation?

Bericht von Wolfgang Ritter

Assoziative Zusammenarbeit beginnt für mein Verständnis auch da, wo Konkurrenz durch
Kooperation ersetzt wird, wo Interesse am Wohlergehen des Handelspartners gezeigt wird. Im Bio-Verbraucher e.V. bringen wir die Bio-Wirtschaftspartner zusammen: Bio-Anbieter
(Erzeuger, Händler, Dienstleister) und Bio-Kunden bilden eine Kooperationsgemeinschaft. Man begegnet sich in der jährlichen Mitgliederversammlung, bei Tagungen und Veranstaltungen, bei Firmenbesuchen und natürlich beim Einkauf. Man erkennt schon aus dieser knappen Darstellung, dass solche persönlichen Verhältnisse der Kunden zu ihren Anbietern wahrscheinlich nur möglich sind, wenn deren Firmen noch nicht die Größe eines Konzerns erreicht haben, denn Konzernherren sind eigentlich selten wirklich an ihren Kunden
interessiert, sondern nur am Gewinn. Man bringt auf den Markt, was gute Rendite verspricht; den Kunden will man gar nicht persönlich kennen. Ähnlich verhält sich auch der Kunde: Er sucht das günstigste Schnäppchen zu machen; wer hinter dem Angebot steht, interessiert nicht. Im Lebensmittelsektor konkurrieren weltweit etwa 10 große Konzerne, in Deutschland etwa fünf Handelsketten. Wie können kleinere und mittlere Betriebe in diesem, oft ruinösen
Wettbewerb überleben? Sie bieten etwas an, was die Konzerne nicht haben, besetzen also eine
Nische, übertreffen die Konzerne in der Qualität oder kooperieren mit der „Konkurrenz“ oder
den Verbrauchern (siehe oben). Auch die „solidarische Landwirtschaft“ ist eine Form der
Kooperation von Erzeugern und Verbrauchern.

Eine neue Möglichkeit der Kooperation für kleinere, regional arbeitende Betriebe
Das regionale Forschungsprojekt SMAEG-BOT (Smart Eating Bot) der Uni Passau bietet der
klein strukturierten, heimischen Lebensmittelbranche im deutschsprachigen Raum eine digitale Plattform zur Kooperation.

  • Unkompliziert können regional vermarktende Lebensmittelhersteller ihr Angebot digital
    bewerben.
  • Die digitale Kommunikation zwischen den Betrieben entlang der gesamten
    Wertschöpfungskette soll damit verbessert werden.

Ich zitiere aus dem Flyer:
Ziel – Wirtschaftsstrukturen von regional und nachhaltig wirtschaftenden Betrieben stärken
und die Ressourceneffizienz entlang der Lebensmittelkette erhöhen
Ansatz – Optimierung des Außenauftritts landwirtschaftlicher Betriebe; Verbesserung der
digitalen Kommunikation zwischen Betrieben der landwirtschaftlichen Produktion, der
Lebensmittelverarbeitung, des Lebensmitteleinzelhandels und der Gastronomie“
Eingesetzte Künstliche Intelligenz – Wissensbasierte NLP-Technologie, integriert in
bestehende Online-Vertriebsplattformen (Regiothek) und spezifisch auf Bedürfnisse der
unterschiedlichen Nutzergruppen angepasst“
Hauptstandort – Passau, Bayern, Projektkoordination – Regiothek GmbH,
Projektbeteiligte – Regiothek GmbH, Universität Passau (Lehrstuhl für Data Science/ Passau Data Science (PADAS) und Center for Data-Based Insights (CENTOURIS))

Die Onlineplattform „Regiothek“ könnte insbesondere für Bio-Landwirte und landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeitende Bio-Betriebe interessant sein, um noch besser wahrgenommen zu werden und sich zu vernetzen. Die Vernetzung geht so: Auf einer Online-Landkarte kann man sehen, wer wen bereits in der Region beliefert. Man kann mit ihm Kontakt aufnehmen, damit der Lieferant auch noch etwas vom eigenen Betrieb zu dem Ort mitnimmt, den er sowieso anfährt. Zahlreiche Betriebe machen schon mit – auch unser Firmenmitglied „Frankengemüse“, der sich als Vermarkter des im Knoblauchsland Nürnberg erzeugten Gemüse versteht. Frankengemüse spricht in Bezug auf die neue Online-Plattform der Regiothek von einer
„Mitfahrzentrale für frisches Gemüse“ (Nürnberger Nachrichten vom 4.11.2023).

Kontakt: www.regiothek.de, Tel. 0851 – 20 42 68 63, info@regiothek.de

Projektpartner der Öko-Modellregion Nürnberg werden

Pressemitteilung der Öko-Modellregion Nürnberg vom 16.02.2023

Die Öko-Modellregion Nürnberg, Nürnberger Land, Roth unterstützt innovative Ideen im Umgang mit Biolebensmitteln finanziell. Dies gilt für neue Projekte, die über den üblichen Geschäftsbetrieb eines Akteurs hinausgehen. Die maximale jährliche Fördersumme liegt bei bis
zu 50 000 Euro. Personalkosten oder Werkverträge können bis zur Hälfte des Nettoaufwands gefördert werden. Nicht förderfähig sind investive und betriebssichernde Maßnahmen. Weiterführende Informationen finden sich unter https://www.oekomodellregionen.bayern/nachrichten/werden-sie-projektpartner-der-oekomodellregionen-fuer-mehr-bio-in-ihrer-region

In Kooperationsprojekten arbeiten Verantwortliche aus Erzeugung, Handwerk oder Vermarktung enger mit der Öko-Modellregion zusammen und werden Teil eines bayernweiten Netzwerks. Wichtig für ein solches Projekt sind ein klarer Beitrag zum Auf- und Ausbau einer regionalen Bio-Wertschöpfungskette oder zur Bewusstseinsbildung für regionale Bio-
Lebensmittel. Die Öko-Modellregion unterstützt die Projektpartner bei der innovativen Produktentwicklung. Kooperationspartner für diese Projekte können neben Gemeinden und Gemeindeverbünden, Körperschaften des öffentlichen Rechts, natürliche Personen und Personengesellschaften sowie juristische Personen des privaten Rechts sein. Ansprechperson für Interessierte an einem Bio-Wertschöpfungskettenprojekt für die Region
Nürnberg, Nürnberger Land, Roth ist im Referat für Umwelt und Gesundheit der Stadt Nürnberg Franziska ; Tel. 0911-231-10624, franziska.distler@stadt.nuernberg.de

Bioland für mehr Öko-Landbau – Lidl-Kooperation stärkt heimisches Bio

Auf der Internationalen Grünen Woche lud Bioland heute zur Podiumsdiskussion mit Bioland-Präsident Jan Plagge, dem Geschäftsleiter Einkauf von Lidl Deutschland Jan Bock und dem Bioland-Bauern Konrad Stöger aus dem Allgäu, der innerhalb der neuen Kooperation zwischen dem Discounter und Bioland Erzeugnisse zuliefert. Neben der Vorstellung der Handelspartnerschaft beleuchteten die Podiumsteilnehmer vor allem die Hintergründe und das Vorgehen auf dem Weg zu dieser Kooperation. „Maßgeblich für unsere Entscheidung war die Fragestellung, was wir insgesamt erreichen wollen. Nämlich einen umfassenden ökologischen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft“, so Plagge. „Unser gemeinsames Ziel ist es, den heimischen ökologischen Landbau zu fördern und voranzubringen. Nicht, weil es um Profite oder Wachstum geht – sondern weil es eine Notwendigkeit ist.“

Mehr Bioland-Erzeugnisse für weitreichenden Klima-, Umwelt- und Naturschutz
Dürresommer, Unwetter, Artensterben oder weiterhin zugelassene Pestizide haben laut Bioland gezeigt, dass die Politik im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes nicht mit dem nötigen Nachdruck agiert. „Um die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu unterstützen, setzen wir auf eine verantwortungsvolle Sortimentsentwicklung“, erläutert Bock. „Wir freuen uns, mit der Kooperation einen Partner an der Seite zu haben, der auf 50 Jahre Erfahrung im Bereich der ökologischen Landwirtschaft zurückgreifen kann und uns ermöglicht, unseren Kunden hochwertiges Bio von heimischen Bauern anbieten zu können.“

Plagge ergänzt: „Wir erreichen mit Lidl ganz andere Käuferschichten. Das Mehr an Käufern sorgt auch für ein Mehr an Umweltschutz, da jedes heimisch und nach strengen ökologischen Richtlinien produzierte Erzeugnis einen Beitrag dazu leistet. Der ökologische Landbau nach Bioland-Standards hat zahlreiche Werkzeuge an der Hand. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen wie eine an die Fläche angepasste Zahl von Tieren oder vielfältige Fruchtfolgen auf dem Acker, die die Fruchtbarkeit der Böden erhalten. Wichtig ist außerdem die Rückbindung von CO2 in den Böden, das gelingt über Humusaufbau. So wird nicht nur weniger CO2 verursacht, sondern die Landwirtschaft wird gleichzeitig widerstandsfähiger gegenüber Klimaeinwirkungen, wovon wir alle profitieren.“

Einsatz zum Schutz der Landschaft & Kultur
Auch Konrad Stöger, Bioland-Landwirt schreibt der Partnerschaft eine wichtige Aufgabe zu: „Ökolandwirtschaft ist die einzig richtige Form der Landwirtschaft, um unsere Lebensgrundlagen auch für folgende Generationen zu erhalten. Große Handelsketten wie Lidl haben viele Kunden, die bislang wahrscheinlich noch nie in Berührung mit unseren hochwertigen, heimischen Produkten gekommen sind. Dies betrifft vor allem jüngere Altersgruppen. Es ist für uns eine Chance, Verbraucher wachzurütteln und großen Akteuren in der Lebensmittelbranche faire Handlungswege aufzuzeigen.“

Fairplay und eine Ombudsstelle machen es möglich
Zur Frage im Podium, wie die Absicherung der Landwirte und Hersteller wie Molkereien aussehe, verweist Bioland stolz auf die neu entwickelten Fairplay-Regeln und die Besonderheit einer neu eingerichteten Ombudsstelle. „Lidl verpflichtet sich im Kooperationsvertrag zu fairen Verhandlungen mit seinen Lieferanten in der gesamten Lieferkette bis zum Bauern und zur Auszahlung auskömmlicher Erzeuger- und Herstellerpreise, damit eine nachhaltige Betriebsentwicklung aller Akteure einer Wertschöpfungskette möglich ist. Wenn diese und die zusätzlich vertraglich vereinbarten Fairplay-Regeln nicht eingehalten werden, können sich benachteiligte Bioland-Lieferanten an unsere Ombudsstelle richten. Stellt die Ombudsstelle eine Verletzung der Fairplay-Regeln fest, kann Bioland Sanktionen gegenüber Lidl aussprechen. So wird ein maximaler Schutz der Lieferanten erreicht sowie eine Gleichbehandlung aller Beteiligten sichergestellt“, so Plagge. „Die Einrichtung eines solchen Verfahrens seitens eines Erzeugerverbandes ist einzigartig, und dass Lidl sich darauf eingelassen hat, unterstreicht deren Ernsthaftigkeit“, ergänzt Plagge.

Das bestätigt auch Bioland-Landwirt Stöger: „Durch die vertragliche Absicherung der Fairplay-Regeln und der Einrichtung der Ombudsstelle fühle ich mich wohl mit der Kooperation.“
Bioland hat die Fairplay-Regeln auf der Delegiertenversammlung Ende November 2018 endgültig verabschiedet und die Ombudsstelle offiziell eingerichtet. Als Ombudsleute fungieren der Kartellrechtsexperte Christoph Peter und der Trierer Rechtsprofessor Frank Immenga.
Pressemitteilung Bioland e.V. vom 17.01.2019

Elemente einer Ökonomie ohne Wachstumszwang

Ein wichtiger Aspekt des Wachstumszwangs ist die Koppelung der Einkommensbildung an die Arbeit. Unabhängig davon, wie man im Einzelnen die kursierenden Vorschläge für ein Grundeinkommen bewertet und wie man zu der geforderten „Bedingungslosigkeit“ steht, ist die These, dass das Einkommen von der traditionellen Erwerbsarbeit entkoppelt werden muss, schwer abweisbar. Dass Konzernverantwortliche wie der Siemens CEO Josef Kaeser vor sozialen Spannungen durch die Digitalisierung warnen und für ein Grundeinkommen plädieren, ist ein Symptom für den Problemdruck an dieser Stelle. Dabei geht es auch um Inklusion und Selbstverantwortung der Ökonomie – um eine nachhaltige Ökonomie, die so gestaltet ist, dass Vernunft in die sozialen Prozesse kommt, damit das Wirtschaften ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig werden kann.

Assoziative Wirtschaft
„Assoziative Wirtschaft“ ist eine praktische Antwort auf diese Frage. In einer assoziativen Wirtschaft wird dem objektiven Altruismus der Arbeitsteilung Rechnung getragen, Kooperation geht vor Konkurrenz. Die Wirtschaft verwaltet sich selbst durch Organe, in denen eine Abstimmung zwischen Produktion, Zirkulation und Konsum stattfinden kann. In der assoziativen Bedarfswirtschaft versucht man, die betriebswirtschaftliche Sicht nicht zu verabsolutieren, sondern vom Ganzen her zu denken. Damit können die ökologischen Folgen ökonomischen Handelns von vornherein einbezogen werden, bis in die Preisgestaltung hinein. Heute dagegen sprechen die Preise nicht die ökologische Wahrheit (Ernst-Ulrich von Weizsäcker).

Fähigkeitenwirtschaft
Assoziatives Wirtschaften soll ermöglichen, die Früchte der Ökonomie besser zu verteilen, Stauungen und Blasen durch organische Entwicklungsprozesse zu vermeiden. Überschusskräfte werden frei für Gemeinaufgaben und geistiges Leben. Neben Kaufen und Kreditieren wird das Schenken zur ökonomischen Kategorie. Wirtschaft lebt nicht vom Geld, sondern von den Fähigkeiten von Menschen, deren Wirksamwerden durch Geld ermöglicht wird. Wir müssen über die Geldwirtschaft hinausgehen und zur Fähigkeitenwirtschaft kommen. Ein assoziatives Wirtschaften erfordert letztlich auch eine Überwindung der Scheinmarktwirtschaft durch eine Neuordnung des Eigentums.

Stirb und Werde
Die Auflösung des Wachstumsdilemmas ist also nicht nur eine Frage der Entwicklung von Bewusstsein, Einsicht und Veränderung von Lebensstilen, sondern auch der assoziativen Neugestaltung der Einrichtungen des Wirtschaftslebens. Heute wollen alle nur wachsen. Da wir aber nur eine Erde besitzen, werden wir lernen müssen, Solidarität untereinander und mit der Natur zu üben. Auch im sozialen, im wirtschaftlichen Leben müssen Einrichtungen zugrunde gehen können, um Neuem Platz zu machen. Dies darf aber in der Gesellschaft nicht über gewaltsame Formen erfolgen. Etwas sterben zu lassen im Sozialen ist eine Kunst. Wir müssen eine solche Kultur des Sterbens erst noch entwickeln.
W.R./ Ausschnitt aus: Christoph Strawe, Wachstum und Entwicklung, in: Sozialimpulse Nr.1, März 2018