Landwirtschaft in der Mitte der Gesellschaft, Teil 1 (Teil 2 in Info-Brief 65)

Eine alte Idee und neue Entwicklungen, Beitrag von Engelhard Troll

Der vorliegende Artikel beschreibt die Schwierigkeiten, die bei der Assoziationsbildung auftreten, und zeigt, dass diese nicht zuletzt in der Form des gewöhnlichen Denkens liegen, mit der meist versucht wird, sogenannte „praktische“ Lösungen zu finden.“

Richtige Preise im falschen System?
„Praktischen Lösungen“ (sind zum Beispiel) auch solche Erzeuger-Verbraucher-Zusammenschlüsse wie die food-coops der späten 68er, das Abokistensystem, Modelle der solidarischen Landwirtschaft, aber auch solche Teillösungen, wie fairer Handel und das Maßnahmenpaket der neuen Demeter-Vertriebsstrategie. Hier sieht Eisenhut es als problematisch an, dass es sich um Insellösungen handelt, sobald ich als Erzeuger meinen durchaus gerechten Preis eingenommen habe, verlasse ich beim Beschaffen von Betriebsmitteln, Maschinen und Gütern des eigenen Bedarfs, z.B. von Kleidung, aber auch bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder dem Zahlen von Steuern diesen „geschützten“ assoziativen Bereich. So stellt er die weitergehende Idee der Assoziation die einer beschränkten Konsumgenossenschaft gegenüber und formuliert provozierend: „Richtige Preise im falschen System?“ „Doch warum müssen solche Initiativen im bestehenden Wirtschaftssystem relativ schnell an ihre Grenzen kommen? . . . Weil hier nur eine einseitige Organisation innerhalb einer Branche vorliegt. Er kommt zu dem Resümee seiner großen Entschuldigung vor den zukünftigen Generationen, wir müssen es machen wie ein Bauer: Der schaut die Wurzeln an, wenn der Baum krank ist, nicht die Zweige, das sind die Regierungen, Politiker und Konzerne.

Deshalb wird man auch innerhalb der Lebensmittelbranche zu keiner wirklichen Assoziationsbildung kommen, wenn nicht daran gearbeitet wird, wie die Preise der Lebensmittel sich zu den Preisen der Erzeugnisse anderer Branchen verhalten. Dieses Preis-Leistungsverhältnis der Branchen untereinander wird nicht zuletzt davon bestimmt, wieviel Menschen in einer Branche beschäftigt sind.

Unsinnige Beschäftigungsstrukturen – „bullshit-jobs“
Nun beschreibt Eisenhut die Rolle der Landwirtschaft im üblichen Drei-Sektorenmodell, im ersten Sektor, der Urproduktion, nimmt sie einen minimalen Randbereich ein mit 0,619 Mio. Erwerbstätigen. Im zweiten Sektor, dem produzierenden Gewerbe, arbeiten in Handwerk und Industrie 10,5 Mio. Erwerbstätige, im tertiären Sektor der Dienstleistungen die restlichen 32,5 Mio. Menschen. Nun verweist Eisenhut auf ein Buch des an der London School of Economics lehrenden David Graeber (Bullshit-Jobs – Vom wahren Sinn der Arbeit, Stuttgart 2018). Graeber beschreibt auf S. 40 „eine Form der bezahlten Anstellung, die so vollkommen sinnlos, unnötig oder gefährlich ist, dass selbst derjenige, der sie ausführt, ihre Existenz nicht rechtfertigen kann, obwohl er sich im Rahmen der Beschäftigungsbedingungen verpflichtet fühlt, so zu tun, als sei das nicht der Fall“. Vor allem in aufgeblähten Verwaltungen größerer Unternehmen und staatlicher Behörden, aber auch besonders bei Finanzdienstleistungen.

Warum hat das eine Auswirkung auf die Landwirtshaft? Weil das Gleichgewicht gestört wird, das Geld als objektiver Maßstab der Leistungsbewertung nicht mehr geeignet ist. Und er zeigt eine andere Möglichkeit auf, um das zu verdeutlichen: „Gesamtwirtschaftlich würde überhaupt keine Verteuerung eintreten, wenn in Deutschland statt 0,6 Millionen Menschen 3,5 Millionen in der Landwirtschaft tätig wären und dafür Sorge trügen, dass der Boden nachhaltig bearbeitet wird, so dass er seine Fruchtbarkeit erhält, dass die Insekten- und Vogelwelt richtig leben kann, dass die Tierhaltung von Achtsamkeit geprägt ist usw. Diese Landwirte könnten alle ein ausreichendes Einkommen haben, und es würde genügend Geld für eine gründliche und Freude bereitende Ausbildung vorhanden sein – wenn es nur gelänge, die „bullshit-Jobs“, die kein Mensch braucht, zu eliminieren. Der Einzelne müsste dann zwar einen größeren Teil seines Einkommens für die Ernährung aufwenden, dies würde jedoch dadurch kompensiert, dass andere Ausgaben niedriger ausfielen. Genau das ist aber das Ziel einer assoziativen Wirtschaft. Denn diese arbeitet darauf hin, den gegenseitigen Wert der menschlichen Arbeitsprodukte herauszufinden“.
Quelle: Demeter Bayern, Rundbrief Nr. 143, Juni 2019

Ökolandbau hat Werkzeuge, dem Klimawandel zu begegnen

Liebe Leserinnen und Leser,

diesen Sommer werden wir nicht vergessen; die Rekordhitze führte zu einem Dürresommer mit besonders hohen Ernteausfällen. Nach Expertenmeinung wird die Heftigkeit von Wetterextremen in Zukunft noch zunehmen.

Die Landwirtschaft ist aber nicht nur Opfer, sondern auch mitverantwortlich für einen wichtigen Teil der Treibhausgas-Emissionen. Um die Folgen des Klimawandels zu minimieren und die Ernährungssicherheit langfristig zu sichern, muss sie jetzt die Treibhausgase reduzieren. Die Klima-Allianz Deutschland fordert eine Umkehr. (Die Klima-Allianz Deutschland ist ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis mit 115 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Kirche, Entwicklung, Bildung, Kultur, Verbraucherschutz, Jugend und Gewerkschaften. Es setzt sich für eine ambitionierte Klimapolitik und eine erfolgreiche Energiewende auf lokaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ein. Ihre Mitgliedsorganisationen repräsentieren zusammen rund 20 Millionen Menschen.) Landwirte müssen aktiv auf den unvermeidbaren Klimawandel vorbereitet werden. Der Ökolandbau hat Werkzeuge dafür; er ist ein Modell für den Ausbau einer klimafreundlichen und anpassungsfähigen Landwirtschaft.

Was kann die Landwirtschaft tun?
Gerald Wehde, Leiter Agrarpolitik von Bioland e.V.: „Der ökologische Landbau muss vorangetrieben werden. Je mehr Betriebe auf nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden zurückgreifen, desto besser ist das für unser Klima. Maßnahmen sind hier eine an die Fläche angepasste Zahl von Tieren und vielfältige Fruchtfolgen auf dem Acker. Denn durch einen häufigen Wechsel der angebauten Pflanzen bleibt die Fruchtbarkeit der Böden besser erhalten. Es geht außerdem um die Rückbindung von CO2 in den Böden, das gelingt über den Humusaufbau. All dies hat den positiven Nebeneffekt, dass die Böden aufnahmefähiger für Wasser sind und dieses entsprechend länger speichern können. So sind die Pflanzen besser versorgt und es kommt zu weniger Überschwemmungen in Folge von Starkregen.“

Die Politik muss endlich handeln
“Nicht nur wegen der Dürre wird immer deutlicher, dass wir dringend eine Agrarwende brauchen. Weg von instabilen und anfälligen Hochleistungssystemen hin zu agrarökologischen Anbaumethoden, die Bäuerinnen und Bauern eine Zukunft bieten und unsere Ernährung sichern“, sagt Antje von Broock vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). „Die Bundesregierung ist jetzt dringend gefordert, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen und der Landwirtschaft zu helfen, ihre Bewirtschaftungssysteme nachhaltig und grundlegend zu verändern. Der Ruf nach kurzfristigen Finanzhilfen darf nicht davon ablenken, dass wir einen mittelfristigen Umbau benötigen. Mit den Milliarden der EU-Agrarpolitik könnte bereits ab 2021 mit dem Umbau begonnen werden.“

Industrielle Tierhaltung größtes Problem für Klima und Regenwald
„Die industrielle Tierhaltung ist für den Großteil der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich“, ergänzt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Sie setzt die Treibhausgase einerseits direkt frei, aber vor allem indirekt über Regenwaldabholzungen für Sojaimporte aus Südamerika. Es ist unverantwortlich, wie viel Landfläche Deutschland in Entwicklungsländern für solche Futtermittelimporte belegt. Die deutsche Landwirtschaftspolitik sollte aufhören, auf Exporte von Fleisch und Milchprodukten in alle Welt zu setzen. Sie schädigt damit das Klima und setzt die bäuerlichen Betriebe hier einem ruinösen Preiswettbewerb gegen Billiganbieter in aller Welt aus.“
Quelle: Presseabteilung Bioland e.V. vom 16.08.18

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter