Assoziative Zusammenarbeit in Deutschland und der Schweiz

Im vergangenen Jahr wurden zwei deutsche Verbrauchervereine im Bio-Bereich aufgelöst: der
Demeter-Verbraucher Nürnberg e.V. nach 50 Jahren und die Fördergemeinschaft für
Biologisch-Dynamische Landwirtschaft e.V., Wiesbaden, nach 40 Jahren. Schade eigentlich,
wenn man bedenkt, dass es in beiden Vereinen Verbraucher waren, die schon vor Jahrzehnten
eine Zusammenarbeit mit Demeter-Landwirten suchten. Heute können wir alles in Bio-
Fachmärkten kaufen, was das Herz begehrt. Vor Jahrzehnten hatten nur einige Reformhäuser
ein Bio-Frischeangebot. So taten sich interessierte Verbraucher zusammen und unterstützen
die wenigen Demeter-Landwirte bei der Vermarktung ihrer Feld-Erzeugnisse. Teilweise
finanzierte man die ersten Demeter-Berater, damit konventionelle Höfe einen Ansprechpartner
hatten, wenn sie umstellen wollten. Auch für Forschungsprojekte gaben die Verbraucher Geld
und beteiligten sich bei der Herstellung der bio-dynamischen Präparate, füllten auf einem Hof
Kuhmist in Kuhhörner für das Präparat 500. Eine erste assoziative Zusammenarbeit von
Erzeugern und Verbrauchern entstand.

Die Idee der assoziativen Zusammenarbeit wird in Deutschland seit 2004 auch vom Bio-
Verbraucher e.V. wahrgenommen. Er vertritt die Bio-Verbraucher in assoziativen Gesprächen
mit Erzeugern, Händlern und Dienstleistern im Bio-Sektor und allen am Bio-Konsum
Interessierten. Der Verein selber pflegt eine Zusammenarbeit von allen am Bio-
Wirtschaftsprozess Beteiligten: Mitglieder sind Bio-Erzeuger, -Händler, -Dienstleister, –
Verbraucher. Dadurch wird die Anonymität des Marktes ein Stück weit aufgehoben; man kennt
sich, man schätzt sich. Weitere wichtige Aufgaben sind Verbraucher-Beratung und Lobbying.
Kontakt: Bio-Verbraucher e.V., 90419 Nürnberg, Rieterstr. 20, Beitrittserklärungen unter
www.sei.bio/ Vorteile für Mitglieder oder per Mail: info@bio-verbraucher.de

In der Schweiz gibt es verschiedene Konsumentenvereine, welche die biodynamische
Landwirtschaft fördern und das Verständnis schaffen für eine assoziative Wirtschaft. Alle 3 Konsumentenvereine sind Mitglied im Schweizerischen Konsumenten-Verband. Dieser
wiederum ist Partner von Demeter Schweiz und dem Bio-Verbraucher e.V. in Deutschland. Die
regionalen Vereine sind:

  • Konsumentenverein Basel und Umgebung
  • Konsumentenverein Bern zur Förderung der Demeter-Landwirtschaft
  • Genossenschaft zur Unterstützung des biologisch-dynamischen Landbaus BDL
  • BioDyn&Fair Winterthur-Schaffhausen
  • Konsumentenverein für biodynamische Landwirtschaft Zürich

Kontakt: Schweizerischer Konsumenten Verband, Gentenwisstrasse 15, CH – 8332 Russikon,
Telefon 044 955 07 42, info@konsumentenverband.ch

Kann die Bundesregierung die die kleinbäuerliche Landwirtschaft retten?

Was die am Lebensmittelwirtschaftsprozess Beteiligten bisher nicht zustande gebracht haben, versucht nun die Politik zu richten. Sie lädt Bauernvertreter und Discounter-Chefs zu Gesprächen ein. Ist das der richtige Weg, um die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu retten?

Es ist ein Skandal, dass unsere Bauern nicht von ihrer Arbeit leben können, dass sie von den großen Discountern oft über den Tisch gezogen werden (diktierte Lieferbedingungen, verspätete Bezahlung, Androhung von Vergeltungsmaßnahmen, Rückgabe nicht verkaufter Ware ohne Bezahlung).

Ursache: Das Angebot der Bauern ist größer als die Nachfrage. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft lässt das die Preise purzeln. Der einzelne Landwirt kann mit 34 Cent pro Liter Milch oder 17 Cent pro kg Weizen nicht dauerhaft über die Runden kommen. Kann er sich wehren? Alleine hat er es schwer. Aber es geht: Er kann ökologisch wirtschaften, um höhere Preise zu erzielen, im eigenen Hofladen oder auf Wochenmärkten selber verkaufen. Das rettet aber nicht die Masse der Landwirte. Wie könnte eine umfassende die Lösung aussehen?

Staatlich verordnete Mindestpreise sind jedenfalls nicht die Lösung; Billigimporte würden den Markt komplett ruinieren. Im marktwirtschaftlichen System müsste das Angebot reduziert werden! Dazu müssten die Bauern Erzeugergemeinschaften bilden, die Mengen und Preise beobachten und ihren Mitgliedern leichte Mengenreduzierungen empfehlen, wenn das Angebot zu groß ist, um das Marktgleichgewicht wieder herzustellen, so wie es Dominik Herrmann für den Bundesverband der Milchviehhalter beschreibt (siehe Nürnberger Nachrichten vom 4.2.20, S. 3).

Die grundlegende Frage aber ist: Will man die landwirtschaftlichen Erzeugnisse wirklich den Marktgesetzen aussetzen, oder sollte dieser Wirtschaftszweig, der unsere Lebensgrundlage garantieren soll, nicht anders reguliert werden? Der Bio-Verbraucher e.V. vertritt das Modell einer assoziativen Zusammenarbeit aller am Lebensmittelwirtschaftsprozess Beteiligten: Erzeuger (Landwirte und verarbeitende Industrie), Handel und Verbraucher. Einen Interessenskonflikt der Beteiligten wird es immer geben. Aber in gemeinsamen Gesprächen entwickelt man Verständnis für die andere Position. Diese Erfahrung hat jeder schon in Auseinandersetzungen mit dem Partner/ der Partnerin gemacht. Übertragen auf die Misere der Bauern bedeutet das: Der Handel kann eigentlich nicht wollen, dass der deutsche Landwirt stirbt, denn er will ja auch morgen noch regionale Produkte von ihm anbieten können.

Wie könnte nun eine assoziative Zusammenarbeit aussehen? Alle Beteiligten entsenden Vertreter ihrer Organisationen in eine regelmäßig stattfindende Lebensmittel-Mengen- und Preisfindungskommission; man könnte sie auch Lebensmittel-Assoziation nennen. Am Runden Tisch sitzen sich nun gegenüber: Vertreter der Landwirte, der verarbeitenden Industrie, des Handels und der Verbraucher. Wenn ich eine solche Sitzung zu leiten hätte, würde ich u.a. auch beispielhafte Kalkulationen besprechen. Was braucht der Landwirt z.B. für einen Liter Milch, für ein Kilo Weizen? Die Landwirte nennen dann z.B. 45 Cent pro Liter Milch und 30 Cent pro Kilogramm Weizen. Dann nennen Molkereien und Mühlen ihre Aufschläge. Schließlich wird die Handelsspanne aufgeschlagen. Die Ergebnisse für die wichtigsten Grundnahrungsmittel könnten auf diese Weise ermittelt und als Richtpreise festgesetzt werden, die nur in Ausnahmefällen, die auch zu besprechen wären, unterboten werden dürften. Milch, Fleisch, Gemüse würden möglicherweise teurer, Brötchen kaum, weil der Rohstoffkostenanteil gering ist. Da Vertreter der Verbraucher bei der Preisfindung dabei gewesen sind, werden sie Verständnis für Preiserhöhungen haben und über ihre Netzwerke kommunizieren. Auch dem Verbraucher liegt nichts am Bauernsterben, denn auch er will morgen noch regionale Produkte kaufen können.

Es ist die Zusammenarbeit, nicht die Konkurrenz, die zur Erfolgsgeschichte der Menschheit führte.

Elemente einer Ökonomie ohne Wachstumszwang

Ein wichtiger Aspekt des Wachstumszwangs ist die Koppelung der Einkommensbildung an die Arbeit. Unabhängig davon, wie man im Einzelnen die kursierenden Vorschläge für ein Grundeinkommen bewertet und wie man zu der geforderten „Bedingungslosigkeit“ steht, ist die These, dass das Einkommen von der traditionellen Erwerbsarbeit entkoppelt werden muss, schwer abweisbar. Dass Konzernverantwortliche wie der Siemens CEO Josef Kaeser vor sozialen Spannungen durch die Digitalisierung warnen und für ein Grundeinkommen plädieren, ist ein Symptom für den Problemdruck an dieser Stelle. Dabei geht es auch um Inklusion und Selbstverantwortung der Ökonomie – um eine nachhaltige Ökonomie, die so gestaltet ist, dass Vernunft in die sozialen Prozesse kommt, damit das Wirtschaften ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig werden kann.

Assoziative Wirtschaft
„Assoziative Wirtschaft“ ist eine praktische Antwort auf diese Frage. In einer assoziativen Wirtschaft wird dem objektiven Altruismus der Arbeitsteilung Rechnung getragen, Kooperation geht vor Konkurrenz. Die Wirtschaft verwaltet sich selbst durch Organe, in denen eine Abstimmung zwischen Produktion, Zirkulation und Konsum stattfinden kann. In der assoziativen Bedarfswirtschaft versucht man, die betriebswirtschaftliche Sicht nicht zu verabsolutieren, sondern vom Ganzen her zu denken. Damit können die ökologischen Folgen ökonomischen Handelns von vornherein einbezogen werden, bis in die Preisgestaltung hinein. Heute dagegen sprechen die Preise nicht die ökologische Wahrheit (Ernst-Ulrich von Weizsäcker).

Fähigkeitenwirtschaft
Assoziatives Wirtschaften soll ermöglichen, die Früchte der Ökonomie besser zu verteilen, Stauungen und Blasen durch organische Entwicklungsprozesse zu vermeiden. Überschusskräfte werden frei für Gemeinaufgaben und geistiges Leben. Neben Kaufen und Kreditieren wird das Schenken zur ökonomischen Kategorie. Wirtschaft lebt nicht vom Geld, sondern von den Fähigkeiten von Menschen, deren Wirksamwerden durch Geld ermöglicht wird. Wir müssen über die Geldwirtschaft hinausgehen und zur Fähigkeitenwirtschaft kommen. Ein assoziatives Wirtschaften erfordert letztlich auch eine Überwindung der Scheinmarktwirtschaft durch eine Neuordnung des Eigentums.

Stirb und Werde
Die Auflösung des Wachstumsdilemmas ist also nicht nur eine Frage der Entwicklung von Bewusstsein, Einsicht und Veränderung von Lebensstilen, sondern auch der assoziativen Neugestaltung der Einrichtungen des Wirtschaftslebens. Heute wollen alle nur wachsen. Da wir aber nur eine Erde besitzen, werden wir lernen müssen, Solidarität untereinander und mit der Natur zu üben. Auch im sozialen, im wirtschaftlichen Leben müssen Einrichtungen zugrunde gehen können, um Neuem Platz zu machen. Dies darf aber in der Gesellschaft nicht über gewaltsame Formen erfolgen. Etwas sterben zu lassen im Sozialen ist eine Kunst. Wir müssen eine solche Kultur des Sterbens erst noch entwickeln.
W.R./ Ausschnitt aus: Christoph Strawe, Wachstum und Entwicklung, in: Sozialimpulse Nr.1, März 2018