Biofach: Wir trafen Cem Özdemir

Wie jedes Jahr hatten wir und einige unserer Firmenmitglieder einen Gemeinschaftsstand mit der BioMetropole Nürnberg auf der Biofach 2022 - diesmal, wegen Corona, ausnahmsweise im Sommer (26.-29. Juli).

Nach seiner Eröffnungsrede besuchte uns der Bundeslandwirtschafts- und Ernährungsminister, Cem Özdemir, am Stand. Die Umwelt- und Gesundheitsreferentin der Stadt Nürnberg, Britta Walthelm, moderierte (beide im Bildvordergrund). Wolfgang Ritter vom Bio-Verbraucher e.V. (links hinter Cem Özdemir) fragte: "Kennen Sie den Bio-Verbraucher e.V.?" Özdemir: "Nein." Ritter: "Ich habe Ihnen doch schon zweimal geschrieben. Die Post ist wohl im Vorzimmer hängen geblieben ... Ich hatte Sie gelobt, aber auch geschrieben, was wir von Ihnen erwarten." Özdemir: "Das ist immer gut. Ich kümmere mich darum." Ritter zum Abschied: "Viel Erfolg für Ihre Arbeit." Özdemir: "Ich tue mein Bestes."

Für die Höfe, Tiere und das Klima

Unser Partner „Meine Landwirtschaft" gibt ein Feedback von der Protestveranstaltung „Wir haben es satt!" zur Grünen Woche in Berlin.

So viele tolle Fußabdrücke mit Forderungen für gute Landwirtschaft und gutes Essen haben uns erreicht. Tausend Dank an alle, die mitgemacht haben! Der Protest hat unsere Erwartungen übertroffen: Es sind mehr Fußabdrücke angekommen, als wir erwartet hätten. Das Bild im Regierungsviertel war wirklich eindrucksvoll und das Medienecho kann sich sehen lassen, obwohl es dieses Mal keine Großdemo gab. Unser Kampf für Höfe, Tiere und das Klima findet auch zu Pandemiezeiten Gehör – sehr gut!

 

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Kann die Bundesregierung die die kleinbäuerliche Landwirtschaft retten?

Was die am Lebensmittelwirtschaftsprozess Beteiligten bisher nicht zustande gebracht haben, versucht nun die Politik zu richten. Sie lädt Bauernvertreter und Discounter-Chefs zu Gesprächen ein. Ist das der richtige Weg, um die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu retten?

Es ist ein Skandal, dass unsere Bauern nicht von ihrer Arbeit leben können, dass sie von den großen Discountern oft über den Tisch gezogen werden (diktierte Lieferbedingungen, verspätete Bezahlung, Androhung von Vergeltungsmaßnahmen, Rückgabe nicht verkaufter Ware ohne Bezahlung).

Ursache: Das Angebot der Bauern ist größer als die Nachfrage. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft lässt das die Preise purzeln. Der einzelne Landwirt kann mit 34 Cent pro Liter Milch oder 17 Cent pro kg Weizen nicht dauerhaft über die Runden kommen. Kann er sich wehren? Alleine hat er es schwer. Aber es geht: Er kann ökologisch wirtschaften, um höhere Preise zu erzielen, im eigenen Hofladen oder auf Wochenmärkten selber verkaufen. Das rettet aber nicht die Masse der Landwirte. Wie könnte eine umfassende die Lösung aussehen?

Staatlich verordnete Mindestpreise sind jedenfalls nicht die Lösung; Billigimporte würden den Markt komplett ruinieren. Im marktwirtschaftlichen System müsste das Angebot reduziert werden! Dazu müssten die Bauern Erzeugergemeinschaften bilden, die Mengen und Preise beobachten und ihren Mitgliedern leichte Mengenreduzierungen empfehlen, wenn das Angebot zu groß ist, um das Marktgleichgewicht wieder herzustellen, so wie es Dominik Herrmann für den Bundesverband der Milchviehhalter beschreibt (siehe Nürnberger Nachrichten vom 4.2.20, S. 3).

Die grundlegende Frage aber ist: Will man die landwirtschaftlichen Erzeugnisse wirklich den Marktgesetzen aussetzen, oder sollte dieser Wirtschaftszweig, der unsere Lebensgrundlage garantieren soll, nicht anders reguliert werden? Der Bio-Verbraucher e.V. vertritt das Modell einer assoziativen Zusammenarbeit aller am Lebensmittelwirtschaftsprozess Beteiligten: Erzeuger (Landwirte und verarbeitende Industrie), Handel und Verbraucher. Einen Interessenskonflikt der Beteiligten wird es immer geben. Aber in gemeinsamen Gesprächen entwickelt man Verständnis für die andere Position. Diese Erfahrung hat jeder schon in Auseinandersetzungen mit dem Partner/ der Partnerin gemacht. Übertragen auf die Misere der Bauern bedeutet das: Der Handel kann eigentlich nicht wollen, dass der deutsche Landwirt stirbt, denn er will ja auch morgen noch regionale Produkte von ihm anbieten können.

Wie könnte nun eine assoziative Zusammenarbeit aussehen? Alle Beteiligten entsenden Vertreter ihrer Organisationen in eine regelmäßig stattfindende Lebensmittel-Mengen- und Preisfindungskommission; man könnte sie auch Lebensmittel-Assoziation nennen. Am Runden Tisch sitzen sich nun gegenüber: Vertreter der Landwirte, der verarbeitenden Industrie, des Handels und der Verbraucher. Wenn ich eine solche Sitzung zu leiten hätte, würde ich u.a. auch beispielhafte Kalkulationen besprechen. Was braucht der Landwirt z.B. für einen Liter Milch, für ein Kilo Weizen? Die Landwirte nennen dann z.B. 45 Cent pro Liter Milch und 30 Cent pro Kilogramm Weizen. Dann nennen Molkereien und Mühlen ihre Aufschläge. Schließlich wird die Handelsspanne aufgeschlagen. Die Ergebnisse für die wichtigsten Grundnahrungsmittel könnten auf diese Weise ermittelt und als Richtpreise festgesetzt werden, die nur in Ausnahmefällen, die auch zu besprechen wären, unterboten werden dürften. Milch, Fleisch, Gemüse würden möglicherweise teurer, Brötchen kaum, weil der Rohstoffkostenanteil gering ist. Da Vertreter der Verbraucher bei der Preisfindung dabei gewesen sind, werden sie Verständnis für Preiserhöhungen haben und über ihre Netzwerke kommunizieren. Auch dem Verbraucher liegt nichts am Bauernsterben, denn auch er will morgen noch regionale Produkte kaufen können.

Es ist die Zusammenarbeit, nicht die Konkurrenz, die zur Erfolgsgeschichte der Menschheit führte.

Liebe Leserinnen und Leser,

wir trauern um unser Gründungsmitglied Dr. Horst Habisreitinger. Er ist am 2. September im Alter von 89 Jahren verstorben. „Wir werden seine wichtigen Impulse, seine Geistesschärfe sowie seine große biodynamische Erfahrung vermissen“, würdigt ihn Demeter-Vorstandssprecher Alexander Gerber. Diese Worte gelten auch für den Bio-Verbraucher e.V.

Als ich mich vor der Gründung des Bio-Verbraucher e.V. 2004 mit Horst Habisreitinger („Lassen Sie doch den Doktor weg“, wurde er nicht müde zu fordern.) traf, warnte er mich aus eigener Erfahrung: „Es ist sehr schwer, Verbraucher zu mobilisieren und für einen Verbraucher-Verein zu gewinnen.“ Als er aber wohl mein Feuer für die Verwirklichung von Rudolf Steiners Idee der assoziativen Zusammenarbeit von Erzeugern, Händlern und Verbrauchern im Bio-Bereich spürte, sagte er schließlich: „Machen Sie das, ich bin dabei.“ Und so war es dann auch; er reiste nicht nur zur Gründung von seinem Wohnort München an, sondern war hin und wieder bei unseren Mitgliederversammlungen und anderen Veranstaltungen in Nürnberg dabei. Er hat sich sehr darüber gefreut, zu erleben, wie der Bio-Verbraucher e.V. wuchs und seinen Verein, „Förderkreis für Umweltgesundung durch biodynamische Agrarkultur e.V.“ am Obergrashof an Mitgliederstärke bald bei weitem (jetzt etwa um das 10-fache) übertraf. Sein Förderkreis wurde Mitglied im Bio-Verbraucher e.V.

Zusammen haben wir erste assoziative Gespräche auf Demeter-Höfen, in der Molkerei Schrozberg und auf der BioFach geführt. Im Frühjahr führte er mich in das Demeter-Grundlagenforum ein, in dem man jetzt nach 100 Jahren Dreigliederungsimpuls durch Rudolf Steiner die assoziative Zusammenarbeit bei Demeter verwirklichen will. Die Gründungs-Mitglieder des Bio-Verbraucher e.V. werden Horst Habisreitinger nicht vergessen.

Zum Jahresbeginn möchte ich allen Mitgliedern, Partnern und Freunden für die Unterstützung unserer Arbeit danken. Dieser Dank gilt auch meinen Vorstandskolleginnen und -kollegen und den meist ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. (Wir sind jetzt insgesamt 18). Auch unsere Mitgliederzahl nimmt ständig zu (zum Jahresbeginn mehr als 700). Und das Wunderbare ist: Unsere Arbeit in allen drei Bereichen (Verbraucherberatung, Zusammenarbeit und Lobbying) wird zunehmend wahrgenommen. Ich wünsche allen Bio-Anbietern, Bio-Dienstleistern und Bio-Verbrauchern ein gesundes, erfolgreiches neues Jahr.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter

Dr. Habisreitinger ganz rechts

Erste assoziative Gespräche im ökologischen Obstbau

Bericht von Jutta Kienzle, FÖKO-Beraterin, und Wolfgang Ritter, Bio-Verbraucher e.V.

Der ökologische Obstbau in Deutschland sieht sich vor große Herausforderungen gestellt.

Im konventionellen Obstanbau wird den Bauern der Erzeugerpreis von den fünf großen Einzelhandelsketten in Europa (Schwarz (= Lidl/Kaufland), Aldi, Metro, Edeka, REWE) diktiert. Diese diktierten Preise sind oft nicht ausreichend, um langfristig überleben zu können. Immer mehr konventionelle Erzeuger suchen deshalb ihr Heil im Bio-Anbau, wo bisher noch anständig bezahlt wird und stellen um – auch in anderen Regionen Europas. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, kann aber auch sehr schnell zu einer Konventionalisierung des Bio-Anbaus führen, da die Vermarktung der zusätzlichen Bio-Äpfel wohl vor allem über die Einzelhandelsketten erfolgen wird. Dabei besteht das Risiko, dass der Bio-Apfelanbau in die gleiche Preisdruck-Spirale gerät wie der konventionelle Anbau – mit sehr negativen Konsequenzen für das Anbausystem.

Durch das konventionelle Apfelangebot sind die Kunden nicht nur in Bezug auf die Verkaufspreise verwöhnt, sondern auch in Bezug auf die äußere Qualität. Konventionelle Erzeuger setzen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nicht nur für die Pflanzengesundheit ein, sondern auch für ein makelloses Aussehen ihrer Produkte. Um in der äußeren Qualität einigermaßen mithalten zu können, sehen sich die biologisch arbeitenden Obsterzeuger in Deutschland immer stärker gefordert, dies nun – wenn auch mit zugelassenen Biomitteln – ebenfalls zu tun. Dies widerspricht aber dem Grundgedanken des Bio-Anbaus, solche Mittel nur dann einzusetzen, wenn es zwingend notwendig ist. Einträge in die Umwelt sollten auch mit zugelassenen Bio-Mitteln (z.B. Kupfer), so weit wie möglich reduziert bleiben. Man steht also vor der Frage: Wie groß ist die Toleranz der Verbraucher, wenn biologisch erzeugte Äpfel keine perfekte Oberfläche aufweisen?

„Die Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau e.V.“ (FÖKO) arbeitet seit 2004 an der Weiterentwicklung des Bio-Anbausystems, an Strategiefragen zur Gesunderhaltung der Pflanzen im Hinblick auf die Grundprinzipien des Ökolandbaus in Deutschland. Vertreter der Obstbauern, Wissenschaftler und Berater kamen nun zu der Einsicht, dass das Konzept zur Gesunderhaltung der Kulturpflanzen im ökologischen Obstbau eigentlich als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden müsse und bei künftigen Beratungen der Verbraucher miteinbezogen werden sollte. Das Zukunftskonzept dürfe nicht nur auf den Maßnahmen basieren, die in den Betrieben durchgeführt werden, sondern auch darauf, ob Verbraucher höhere Preise akzeptierten und welche Kriterien sie an die innere und äußere Qualität anlegten.

Am 5. und 6. Dezember 2017 fand ein erstes assoziatives Gespräch statt. Die FÖKO hatte Bio-Obsterzeuger aus allen Regionen Deutschlands, „Bündler“ (=Firmen, die das Obst bei kleineren Erzeugern abholen und zu den Zentrallagern bringen), Händler und Verbraucher nach Kassel eingeladen, um ihre Sicht auf Bio-Obst-Qualität und –Preise einzubringen. Die Verbraucher waren durch Slow Food und den Bio-Verbraucher e.V. vertreten.

Die Stellungnahmen, die Wolfgang Ritter für den Bio-Verbraucher e.V. abgab, basierten auf einer von ihm im November 2017 durchgeführten Blitzumfrage zum Apfelkauf. Die Ergebnisse dazu sind in diesem Info-Brief in der Rubrik 7/ Verbrauchermeinung dargestellt. Die Ergebnisse der Beratungen in Kassel werden derzeit von FÖKÖ ausgewertet und sollen in einem Strategiepapier münden. FÖKO und der Bio-Verbraucher e.V. sind nun Partner und werden künftig zusammen arbeiten. Wir werden weiter berichten.