Riesenchance verpasst – und jetzt?

Liebe Leserinnen und Leser,

im November des vergangenen Jahres stand in der EU die Entscheidung an, ob das
Totalherbizid Glyphosat für weitere 10 Jahre in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen dürfe
oder nicht. Da sich die Regierungskoalition in Deutschland nicht einigen konnte, darf dieses
Umweltgift nun weiter verwendet werden. Die Chemie-Lobby hat gesiegt. Die Politiker folgen
den Wünschen der Konzerne, nicht denen ihrer Wähler. Damit hat die Bundesregierung die
Riesenchance verpasst, ein Zeichen zu setzen, Glyphosat endlich vom Acker zu bekommen.
Mehr als 130 Verbände von Erzeugern, Umweltschützern und Verbrauchern und mehr als Hundertsiebzigtausend Wähler sind beim Bundeslandwirtschafts- und Ernährungsministerium (BMEL) oder/ und bei der Bundesregierung vorstellig geworden, haben sich gegen eine weitere Zulassung ausgesprochen, weil das Gift als  wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft und ursächlich für das Artensterben ist. Eigentlich wäre dieser Einsatz nicht nötig gewesen, denn der Koalitionsvertrag sieht eindeutig vor, Glyphosat zum Jahresende 2023 vom Acker zu nehmen. Das von den Grünen geführte Landwirtschaftsministerium wollte sich auch an den Koalitionsvertrag halten, das FDP geführte Bildungs- und Forschungsministerium nicht. So kam es bei zwei Abstimmungen in der EU zu Deutschlands Enthaltung. Nun musste die EU-Kommission eine Empfehlung aussprechen. Sehr schnell folgte Ursula von der Leyen den
Wünschen der Agrarkonzerne, das Herbizid ist für weitere 10 Jahre zugelassen. Und nun?

Die Bio-Informationsoffensive des BMEL
Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) setzt auf mehr Bio. Sein
Chef, Cem Özdemir, stellte zeitgleich zum Glyphosat-Beschluss in der EU seine „Biostrategie“ für Deutschland vor. Sie beinhaltet 30 Einzelmaßnahmen, mit denen die Bio-Quote in wenigen Jahren rasant wachsen soll. Am 20. November 2023, startete das BMEL zusätzlich eine Bio-Informationsoffensive, die Verbraucherinnen und Verbraucher über Bio-Lebensmittel informiert. Wir begrüßen diese Bemühungen! Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-
Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW) spricht aus, was auch wir denken: „Nur gut informierte Verbraucherinnen und Verbraucher können gute Entscheidungen treffen. Daher ist es richtig, dass nun verstärkt darüber informiert wird, was Bio-Lebensmittel ausmacht. Die Gemeinwohlleistungen von Bio sorgen für mehr Natur- und Umweltschutz und Bio-Tiere werden artgerecht gehalten und Bio-Lebensmittel werden schonend verarbeitet. Und, ganz wichtig, wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin. Denn jeder Schritt bei der Herstellung von Bio-Lebensmitteln wird staatlich überwacht und streng kontrolliert. Grundlage dafür ist das strengste Gesetz für Lebensmittel, dass es in Europa gibt.

„Laut dem Schlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) verursacht die Landwirtschaft in Deutschland jährlich Umweltschäden in Höhe von 90 Milliarden Euro. Mit Bio lassen sich diese Schäden wirksam vermindern, da der Öko-Landbau keine chemisch-synthetischen Pestizide und Düngemittel einsetzt. Die positiven Wirkungen der Öko-Landbau-Methoden sind vielfach wissenschaftlich belegt, daher empfiehlt die ZKL die Ausweitung des Öko-Landbaus.

Das neue Bio-Informationsangebot des BMEL, ist auch Wertschätzung für all die Bäuerinnen
und Bauern, Verarbeiterinnen und Verarbeiter und alle die mit Bio-Lebensmittel handeln. Es
stärkt den notwendigen Umbau unseres Agrar- und Ernährungssystems. Mit Bio packen
Wirtschaft und Verbraucher dies freiwillig und gemeinsam an.“
Quelle: BÖLW-Pressemitteilung vom 20.11.2023

Übrigens, wir haben einen neuen Slogan: Bio-Verbraucher e.V., die Bio-Wertschätzer. Wir
vernetzen Bio-Erzeuger, -Händler, -Dienstleister und –Verbraucher.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter

Der Kampf Davids gegen Goliath

Wolfgang Ritter

Am 12./13. Oktober wird in der EU über die Wiederzulassung des Totalherbizids Glyphosat abgestimmt. Dieses Totalherbizid ist der am häufigsten eingesetzte Pestizidwirkstoff, deshalb wird diese Entscheidung richtungsweisend sein für die Zukunft der Landwirtschaft. Kommt es zu der lange überfälligen Agrarwende oder entscheidet sich die EU trotz Plänen zur Pestizidreduktion und Verabschiedung des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie für ein „weiter so“? Warum stellt sich überhaupt diese Frage, wenn doch das Artensterben deutlich zu beobachten ist?

Ständig versucht die sehr gut aufgestellte und bestens bezahlte Lobby der Chemie-Konzerne deren Umsätze und Gewinne zu erhalten und noch auszubauen – ohne Rücksicht auf Arten-Verluste und unter Gefährdung von Tier- und Menschenwohl bedrängt sie die Politiker. Und ständig kämpft die Allianz der einsichtigen Erzeuger, Händler und Verbraucher gegen diesen Wahnsinn an. Kürzlich erst, am 14. September, forderte ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen mit einem überdimensionierten zwei Meter hohen Glyphosat-Kanister vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium die Bundesregierung dazu auf, im Oktober gegen die Wiederzulassung von Glyphosat zu stimmen. Die Forderung wurde von über 130.000 Bürger*innen unterstützt, deren Unterschriften Staatssekretärin Silvia Bender für das Bundeslandwirtschaftsministerium entgegennahm.

Der Bio-Verbraucher e.V. unterstützt Aktionen gegen Glyphosat seit Jahren und wendet sich immer wieder an die verantwortlichen Politiker. Hier zwei Beispiele, unserer jüngsten Eingaben an Cem Özdemir, Leiter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

 Keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf unseren Tellern

Eingabe des Bio-Verbraucher e.V. an das Bundeslandwirtschaftsministerium am 20.06.2023

Sehr geehrter Herr Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft,

jetzt sind Sie gefragt! Der Presse entnehmen wir, dass die EU-Kommission eine deutliche Lockerung der bestehenden EU-Regeln zur Gentechnik per Verordnung herbeiführen will. Wir brauchen Ihnen sicherlich nicht zu beschreiben, um was es da genau geht, denn Ihr Parteifreund und Agrarökonom, Karl Bär, hat sich ja dazu bereits geäußert. Er sieht in dem Verordnungsentwurf einen „Frontalangriff“ auf die europäische Landwirtschaft. „Pflanzen mit bis zu 20 gentechnischen Veränderungen sollen als gleichwertig mit konventionell gezüchteten Pflanzen gelten.“ Und: „Der Vorschlag wäre das Ende der ökologischen Landwirtschaft“, weil Bio-Landwirte immer mehr Aufwand betreiben müssten, um ihre Feldfrüchte vor Kontaminationen zu schützen (Nürnberger Nachrichten vom 17.06.2023, S. 29/ „EU will mehr Gentechnik wagen“).

Das dürfen Sie nicht zulassen! Das müssen Sie verhindern – auch gegenüber FDP-Bundesforschungsministerin, Carina Konrad, die das Vorhaben begrüßt. Wenn sich die FDP durchsetzte, wäre das das Ende Ihrer Politik, Herr Özdemir, das Ende einer Grünen Politik!

 Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Ritter/ Vorstandsvorsitzender Bio-Verbraucher e.V.

 Glyphosat verbieten

Eingabe des Bio-Verbraucher e.V. an das Bundeslandwirtschaftsministerium am 11.07.2023

Sehr geehrter Herr Bundeslandwirtschaftsminister,

obwohl zahlreiche Studien belegen, dass Glyphosat eine Bedrohung für die Artenvielfalt ist und für den Menschen gesundheitsschädlich sein kann, sieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kein Risiko in der Verwendung dieses Totalherbizids. Man kann aber selber beobachten, wie Insekten und Vögel in den vergangenen Jahren verschwunden sind.

Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt hatte vor fünf Jahren in einem mit der Bundesregierung nicht abgestimmten Alleingang dafür gesorgt, dass Glyphosat in Europa weiter verwendet werden darf. Sorgen Sie, Herr Özdemir, jetzt dafür, dass dieses Gift in der EU endgültig verboten wird, wenn nun im Herbst erneut eine Entscheidung ansteht.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Ritter/ Vorstandsvorsitzender Bio-Verbraucher e.V.

Gemeinsam stoppen wir das Superackergift Glyphosat

Glyphosat ist das weltweit und auch hierzulande am häufigsten eingesetzte Pestizid: Über 4000 Tonnen davon wurden 2021 allein in Deutschland verkauft. Der Unkrautvernichter wird in der Landwirtschaft, auf kommunalen Flächen und sogar in Privatgärten verwendet. Doch der
massenhafte Einsatz von Glyphosat ist alles andere als unproblematisch: Das Ackergift wurde von der internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich krebserregend eingestuft und gefährdet die Artenvielfalt. Nun steht die Entscheidung über die erneute Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union bevor. Mit
unserer Aufklärungs- und Kampagnenarbeit wollen wir dafür sorgen, dass Glyphosat endlich verboten wird.

Das zerstörerische System der industriellen Landwirtschaft, das auf dem massiven Einsatz von Agrochemikalien basiert, würde ohne Glyphosat ins Wanken kommen: Denn Glyphosat wirkt nicht nur gegen bestimmte Unkräuter, sondern es ist eine Art „Super-Ackergift“ – ein sogenanntes Totalherbizid, das jede grüne Pflanze vollständig tötet, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Gifteinsatz überlebt. Weil es in so großen Mengen eingesetzt wird, ist Glyphosat der absolute Liebling von Konzernen wie Bayer-Monsanto oder BASF: Allein 2020 verdienten die Hersteller weltweit fast 450 Millionen US-Dollar mit dem Verkauf des Gifts!
Es ist also kaum überraschend, dass die Konzerne versuchen, ihren Kassenschlager gegen jede Vernunft weiter auf dem Markt zu halten. Jetzt gilt es, die Chance zu ergreifen und dem Agro- Chemie-System mit Glyphosat einen entscheidenden Baustein zu entziehen!

Ein Glyphosat-Verbot in der EU könnte dabei sogar weltweite Konsequenzen haben: Denn damit einhergehen könnte auch ein Verbot von Rückständen des Pflanzengifts auf Lebens- oder Futtermitteln, die nach Europa importiert werden. Damit dürfte es für die Chemiekonzerne auch schwieriger werden, den Topseller Glyphosat in Ländern wie Brasilien
oder Argentinien zu vermarkten, wo es in großen Mengen beim Anbau genmanipulierter Pflanzen eingesetzt wird.

Um diesen Domino-Effekt einzuleiten, wollen wir in den nächsten Monaten Druck auf die deutsche Bundesregierung aufbauen. Unser Ziel: Deutschland soll im zuständigen EUAusschuss gegen die Wiederzulassung des Totalherbizids stimmen. Dazu wollen wir neue Studien, die die Gefährlichkeit von Glyphosat untermauern, in der breiten Öffentlichkeit bekannt machen und Tausende Unterschriften für ein Glyphosat-Verbot sammeln. Bitte unterstützen Sie uns dabei jetzt mit Ihrer Spende!

Umweltinstitut München e.V., www.umweltinstitut.org, info@umweltinstitut.org
Spendenkonto: IBAN: DE 70 7002 0500 0008 8311 01 • BIC: BFSWDE33MUE
Quelle: newsletter@umweltinstitut.org vom 8. Mai 2023

Glyphosatklage: Bayer verliert in der Berufung

Im ersten großen Glyphosat-Musterprozess hat die Bayer-Tochter Monsanto auch die Berufung verloren. Zwar reduzierte der Richter den in der ersten Instanz verhängten Schadenersatz. Doch er bestätigte: Glyphosat ist krebserregend und Monsanto hat das verschwiegen.

Der unheilbar an Lymphdrüsenkrebs erkrankte Platzwart Dewayne Johnson war das erste Glyphosat-Opfer, das vor Gericht Recht bekam. Zu 289 Millionen US-Dollar Schadenersatz verurteilte eine Jury in San Francisco im August 2018 die Bayer-Tochter Monsanto. Später reduzierte die Richterin die Strafzahlung auf 78 Millionen Dollar. Dennoch legte Monsanto Berufung ein.

Darüber hat nun der California Court of Appeal entschieden. Das Gericht reduzierte die Strafe aus formalen Gründen noch einmal auf 20,5 Millionen Dollar (17,9 Millionen Euro). Die Summe setzt sich zu gleichen Teilen zusammen aus dem Schadenersatz, der Dewayne Johnson zugesprochen wird, und einer Strafzahlung. Denn auch das Berufungsgericht sah es als erwiesen an, dass das Pestizid Roundup die Krebserkrankung Johnsons verursacht hat und dass Monsanto die Krebsgefahr absichtlich verschwieg.

„Unserer Ansicht nach hat Johnson zahlreiche und auch belastbare Beweise dafür vorgelegt, dass Glyphosat zusammen mit den anderen Inhaltsstoffen in Roundup seinen Krebs verursacht hat“, stellte das Gericht fest. Es sah auch „substanzielle Beweise dafür, dass Monsanto vorsätzlich und bewusst ohne Rücksicht auf die Sicherheit Anderer handelte“. Aufgrund dieser Beweise hätten die Geschworenen in der ersten Instanz zurecht „böswillige Absicht“ auf Seiten Monsantos festgestellt und damit die Strafzahlung begründet.

Für Bayer ist die Entscheidung eine herbe Niederlage. Der Konzern hatte darauf gebaut, dass eine nur aus Berufsrichtern zusammengesetzte Beschwerdekammer anders urteilen würde als eine aus juristischen Laien bestehende Geschworenen-Jury. Bayer bezeichnete die Entscheidung wegen der gekürzten Zahlung als „Schritt in die richtige Richtung“; wiederholte, dass es sich bei Roundup um ein sicheres Produkt handele und kündigte an, Rechtsmittel zu prüfen. Die Klage von Dewayne Johnson und zwei weitere Musterprozesse, bei denen Bayer Berufung einlegte, sind nicht in dem Vergleich enthalten, den der Konzern Ende Juni vorstellte.
Quelle: Informationsdienst Gentechnik, www.keine-gentechnik.de, Info vom 23.07.2020

Deutschlands Zustimmung zu Glyphosat

Bericht von Wolfgang Ritter

In einem beispiellosen Vorgang hat Agrarminister Schmidt die Zulassung des umstrittenen Pestizids Glyphosat in der EU um fünf weitere Jahre erwirkt. Er hat dabei nicht nur die Umweltministerin brüskiert, sondern auch die Warnungen zahlreicher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ignoriert, die Schäden für Umwelt und Gesundheit erwarten. Der Bio-Verbraucher e.V. hat umgehend an Schmidt und Schulz geschrieben:

Sehr geehrter Herr Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt,
mit Ihrer Zustimmung zur Verlängerung der Anwendung von Glyphosat haben Sie vielen einen Bärendienst erwiesen:
• der Natur: Sie wird weiterhin den schädlichen Wirkungen des Totalherbizids ausgesetzt sein; Böden, Wasser, Luft werden weiterhin verseucht, das Artensterben geht weiter.
• der Bevölkerung: Menschen werden über die Nahrungskette weiterhin das Gift aufnehmen, Allergien werden weiter zunehmen, das Krebsrisiko bleibt.
• Ihren Wählern: Millionen Mitbürger und Mitbürgerinnen fühlen sich vor den Kopf gestoßen und durch Sie nicht mehr vertreten.
• Ihrer Partei: Das wird Stimmen kosten bei der nächsten Wahl.
• der Kanzlerin der geschäftsführenden Bundesregierung: Sie wird es nun wesentlich schwerer haben bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD.
Unser Aufruf an Sie: Retten Sie, was noch zu retten ist – falls Sie im Amt bleiben. Sorgen Sie dafür, dass Glyphosat während der nächsten fünf Jahre in Deutschland nur noch sehr eingeschränkt angewendet werden darf!

Sehr geehrter Herr Schulz,
sofort nach der Entscheidung in Brüssel hat Staatspräsident Macron in Frankreich ein nationales Verbot für Glyphosat angekündigt. Ein solches Verbot ist auch in Deutschland möglich.
• Wir fordern Sie daher auf: Setzen Sie bei den anstehenden Gesprächen mit der CDU/CSU durch, dass die kommende Bundesregierung das problematische Pestizid umgehend verbietet.
• Sorgen Sie zugleich dafür, dass die Pestizidzulassung nicht mehr durch Behörden des Agrarministeriums erfolgt, sondern vom Umwelt- und Gesundheitsministerium.