BÖLW-Statement zur Studie der TU München zum Insektensterben

Forscher der Technischen Universität München veröffentlichten Ende Oktober 2019 eine umfassende Studie zum Insektensterben in Deutschland. Der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, kommentierte sie am 30.10.2019 in einer Presseerklärung:

„Die neue Studie der TU München bestätigt auf erschreckende Weise bereits vorliegende Erkenntnisse. Das Artensterben setzt sich unvermindert fort und auch auf Grünland sind zwei Drittel der Insekten verschwunden.

Es muss uns klar werden, dass es hier nicht um das Hobby von Schmetterlingskundlern geht, sondern um die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme. Wenn Öko-Systeme nicht mehr intakt sind, können wir auch keine Nahrung mehr produzieren.

Auch wenn es nach Aussage der Forscher schwierig bleibt, Ursachen für das Insektensterben unmittelbar zuzuordnen, so ist doch klar, dass die Art und Weise der Landnutzung eine entscheidende Rolle für die Lebewesen spielt. Das zeigt sich u.a. daran, dass der Insektenrückgang vor allem auf solchen Grünlandflächen besonders stark ist, die von Acker umgeben sind. Die Wirkungszusammenhänge sind vielfältig: so hat die Evolution die Natur nicht darauf vorbereitet, mit chemisch-synthetischen Stoffen wie Pestiziden umzugehen, viele Organismen werden dadurch unmittelbar geschädigt. Die viel zu hohen Stickstofffrachten führen in den Ökosystemen zu einem enormen Selektionsdruck zugunsten von Arten, die von Stickstoff profitieren.

Wir werden das dramatische Artensterben nicht dadurch stoppen, dass wir durch technische Verbesserungen weniger vom Falschen machen oder durch isolierte Maßnahmen wie Blühstreifen punktuell entlasten – auch wenn solche Maßnahmen ein guter Einstieg sind. Vielmehr müssen Bäuerinnen und Bauern lernen, stabile Produktionssysteme aufzubauen, die ohne den Einsatz von Hilfsmitteln wie Mineraldünger oder chemisch-synthetische Pestizide auskommen und die Funktionsprinzipien natürlicher Ökosysteme intelligent nachahmen.

Damit das klar ist: Es geht nicht um Schuldzuweisung an Bauern. Es geht darum, dass wir auch in der Landwirtschaft Wege finden, naturverträglich zu wirtschaften – und zwar schnell, denn auch unsere eigenen Produktionsvoraussetzungen stehen auf dem Spiel. Das System des Ökolandbaus hat zwar wissenschaftlich eindeutig belegte Vorteile für die Artenvielfalt; trotzdem müssen alle, Ökolandwirte und ihre konventionellen Kolleginnen und Kollegen, bereit sein, neue Wege zu gehen, um dem Verlust an biologischer Vielfalt ein Ende zu setzen!“

Dem braucht man nichts hinzufügen. Eine Bemerkung nur: Löwenstein ist selbst Landwirt.

Mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen für das neue Jahr
Ihr Wolfgang Ritter

EU-Agrarpolitik nach 2020: Geld mit Gemeinwohlleistungen verdienen, anstatt durch Landbesitz

Liebe Leserinnen und Leser,

der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) berät das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Deutschland. Die 19 unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen in ihrer jüngsten Stellungnahme deutlich, dass das Steuergeld Umwelt-, Klima- und Tierschutz statt Flächenbesitz belohnen muss und zeigen auf, wie das umgesetzt werden kann.

Mit jährlich 60 Mrd. € bestimmt die EU-Agrarpolitik (GAP), welche Landwirtschaft sich in Europa lohnt. Alle sieben Jahre wird die GAP reformiert, derzeit verhandeln Mitgliedsstaaten und EU-Parlament über die Agrarförderung nach 2020. Eine Forsa-Umfrage zeigt: Zwei Drittel der Landwirte wünschen sich eine andere EU-Agrarpolitik. Aktuell durchkreuzt die EU mit der EU-Agrarpolitik ihre eigenen Ziele, zu denen sich die Staatengemeinschaft mit Blick auf das Klima, die Umwelt, Artenvielfalt oder lebendige Dörfer verpflichtet haben.

Was entscheidend ist für eine zukunftsfähige GAP:

1. Statt 70 % Pauschalzahlungen nach Fläche brauchen wir 70 % der gesamten EU-Fördermittel für die Honorierung von freiwilligen Leistungen für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz.
2. Verbindliche Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele für alle Mitgliedsstaaten sind nötig, um einen Dumpingwettbewerb zu verhindern.
3. Ein großer Teil der Direktzahlungen der ersten Säule müssen für freiwillige Umweltmaßnahmen (Ecoscheme) genutzt werden.
4. Mittel aus der ersten Säule müssen in die finanziell geschwächte zweite Säule umgeschichtet werden, um dort Agrarumweltmaßnahmen, den ökologischen Landbau und Maßnahmen zur flächengebundenen artgerechten Tierhaltung finanzieren zu können.
5. Die Vorgaben für die künftige Investitionsförderung für Stallbauten müssen sich an den baulichen Vorgaben der EU-Öko-Verordnung orientieren. Nur so kann für konventionell wirtschaftende Betriebe sichergestellt werden, dass sie später auf ökologischen Landbau umstellen können.

Nach Übergabe der Empfehlungen des WBAE an das BMEL kommentiert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW):

„Es besteht ein sehr hoher Veränderungsdruck in Landwirtschaft und Gesellschaft, da können wir uns keine unwirksamen teuren Politikmaßnahmen mehr leisten. Die Wissenschaftler stellen erneut fest, dass die bisherige GAP keinen hinreichenden Beitrag zur Reduzierung von Umweltbelastungen leistet. Das ist Rückenwind für Bundesministerin Klöckner durch ihren wissenschaftlichen Beirat, wenn sie eine ambitionierte Agrarpolitik für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz in Brüssel einfordern will.“
Quelle: BÖLW-PM vom 17.07.2019: Die Gemeinsame Agrarpolitik kann jetzt zu einem Veränderungsmotor werden!

Wie der BÖLW begrüßt auch der Bio-Verbraucher e.V. die Empfehlungen des WBAE und drängt Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, sie als Richtschnur für ihre Verhandlungen in Brüssel einzusetzen, um die kleinbäuerliche Bio-Landwirtschaft in Europa bei ihren Maßnahmen für Umwelt-, Klima- und Tierschutz angemessen zu unterstützen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter