Wirtschaft der Liebe

Dr. Christoph Pinkwart/ Wolfgang Ritter

Interview mit Dr. Christoph Pinkwart zu einer Studienreise zur SEKEM-Farm in Ägypten im Oktober 2023

SEKEM in Ägypten gehört wohl zu den größten, erfolgreichsten und weltweit aktiven Unternehmen, die die Idee der Dreigliederung Rudolf Steiners verwirklichen und eine assoziative Zusammenarbeit pflegen. Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die verschiedenen Unternehmensbereiche aufgebaut – auch mit Spenden von Unterstützervereinen in Europa: biologisch-dynamische Landwirtschaft, Agrarerzeugnisse verarbeitende Betriebe, medizinisches Zentrum, Bildungseinrichtungen, Akademie, Universität. Man arbeitete mit Bauern aus ganz Ägypten zusammen und unterstützt die Wüstendörfer in der Umgebung. Ich habe die Initiative mehrmals besucht, ihren Initiator, Dr. Ibrahim Abouleish, und seinen Sohn, Helmy Abouleish, mehrmals zu Vorträgen nach Nürnberg eingeladen und in Vorträgen und Büchern (Initiativen, die die Welt verändern, Wirtschaft der Liebe, beide Möllmann Verlag) darüber berichtet. Im Oktober 2023 hat mein Freund, Dr. Christoph Pinkwart, an einer Studienreise zur SEKEM-Farm teilgenommen. Ich habe ihn interviewt.

Wie kamst du darauf, diese Reise zu unternehmen?

Seit einem Auslandspraktikum als Student 1976 in einer Ölraffinerie in Ägypten interessiere ich mich für dieses Land und seine Entwicklung. Nachdem Ibrahim Abouleish seine Initiative SEKEM in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgestellt hatte, wurde ich Mitglied im Förderverein „SEKEM Freunde Deutschland“ und besuchte vor 18 Jahren die SEKEM-Farm zu einem Islam-Seminar, das Ibrahim Abouleish seinerzeit gab. Der Gründer Dr. Ibrahim Abouleish beschreibt in seinem Buch, die SEKEM-Symphonie  (Info 3 Verlag, Neuauflage 2015): „In der flirrenden Sommerhitze tauchte in meinem Inneren eine Vision auf: Ein Brunnen, Bäume, Pflanzengrün und Blütenduft, Tiere, Komposthaufen, Häuser und arbeitende Menschen. Wieviel Kraft würde aufgebracht werden müssen, um eine solch unwegsame, schwierige Umgebung zu verändern und diese Öde in einen Garten zu verwandeln!“ Vor 18 Jahren konnte ich mich davon überzeugen, dass diese Vision in vollem Umfang aufgegangen ist.

Warst du auf der SEKEM-Farm bei Kairo? Was hast du erlebt?

Dass in der SEKEM-Farm in Kairo unser aller Ziel „Wirtschaft der Liebe“ bereits im großen Maßstab umgesetzt ist: Der Zukunftsrat der SEKEM-Farm hat sich vorgenommen, nach dem Prinzip „Wirtschaft der Liebe“ zu handeln, eine Geschäftsethik, die SEKEM mitentwickelt hat, und die mit den internationalen Fairtrade-Werten verglichen werden kann. Das betrifft die Wertschöpfungskette vom Bauern über die Veredelung und den Handel bis zum Verbraucher. Konzentrieren wir uns jetzt auf die Bauern: Die mit SEKEM zusammenarbeitenden Bauern arbeiten bio-dynamisch, so dass ihre Produkte Demeter-zertifiziert sind. Sie erhalten stabile Verträge und Preise für ihre Produkte, wodurch ein sicheres Einkommen für ihre Familien garantiert ist, und durch das sie besser planen und expandieren können. Außerdem bietet SEKEM den Vertragsbauern regelmäßige Schulungen, Fortbildungen und kulturelle Aktivitäten an, wie Alphabetisierungskurse oder Workshops, in denen neue landwirtschaftliche Methoden vorgestellt werden. Die Landwirte und SEKEM profitieren von einer Win-Win-Situation, die auf Brüderlichkeit und Kooperation basiert, anstatt auf Konkurrenz und Egoismus.

Es gibt doch eine weitere Farmgründung irgendwo mitten in der Wüste. Konntest du die auch besuchen?

Nachdem die Farm räumlich an ihre Grenzen kam, wurde vor einigen Jahren in der Wahat Oase Baharyia eine Tochterfarm gegründet. Dazu fuhren wir von Kairo in süd-westliche Richtung komplette 370 km durch Wüste und erlebten dort eine Farm, die die Gründungsfarm spiegelt, wie diese im Alter von 10 Jahren ausgesehen haben mag. Es ist sehr beeindruckend zu sehen, wie hier wieder fruchtbares Ackerland der Wüste abgerungen wird, diesmal aber in noch wesentlich größerem Maßstabe.

Gibt es Zukunftspläne?

Die „Wirtschaft der Liebe“ soll nun gemäß SEKEMs Nachhaltigkeitsstrategie in detailliert beschriebenen Schritten weiterentwickelt werden. So wurde im Jahr 2022 erreicht, dass die Anzahl der mit SEKEM zusammenarbeitenden bäuerlichen Betriebe von rund 700 auf etwa 2000 erhöht werden konnte. Dies gelingt durch die oben beschriebene Fortbildung in Kombination mit finanzieller Unterstützung. So werden den Bauern z.B. Kredite gegeben für Solaranlagen und Wasserpumpen, die für nachhaltiges Wirtschaften notwendig sind. Da sich die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise durch Einbindung in CO2-Zertifikate für die Vertragsbauern auch finanziell rechnet, ist dies ein Erfolgsprogramm. Es ist beabsichtigt, bis 2025  38.000 neue Kleinbauern aufzunehmen. So bleibt davon zu träumen, dass sich die „Wirtschaft der Liebe“ eines Tages in ganz Ägypten oder sogar auch bei uns ausbreiten wird!

Das klingt phantastisch: 38.000 neue Kleinbauern. Arbeiten die dann alle biodynamisch?  Wird es so sein, dass sie alle ihre Felderträge den SEKEM-Betrieben zuliefern werden?

Wie gesagt wachsen diese Kleinbauern hochmotiviert in die biodynamische Landwirtschaft hinein, und ihre Felderträge werden direkt über die SEKEM-Verbindungen an die örtliche Umgebung verkauft oder über die SEKEM-Betriebe veredelt.

Abschließend noch eine Frage zu den CO2-Zertifikaten: Wer kauft sie?

Jeder kann sie erwerben, besonders als Ausgleich für die Umweltbelastung, wenn man z.B. nach Ägypten fliegt. Hier kann man sie kaufen: https://shop.sekem.com/products/1-tonne-co2-kompensation-co2-zertifikat

Sekem – Vision (SVG 11): Wirtschaft der Liebe

Ägypten 2057: Die Unternehmen in Ägypten arbeiten auf der Grundlage eines Wirtschaft der Liebe-Standards, der transparent ist und die tatsächlichen Kosten berücksichtigt!

Wenngleich wir berichtet haben wie wir bereits vor Jahrzehnten begonnen haben, eine Wirtschaft der Liebe umzusetzen und diese in vielen Bereichen längst praktizieren, handelt es sich bei dem Anliegen die komplette Wertschöpfung und alle daran Beteiligten sichtbar zu machen und gleichberechtigt zu fördern, um eine Jahrhundertaufgabe. Wir wollen diese bis 2057 gezielt voranbringen und systemrelevant machen. Dazu haben wir gemeinsam mit lokalen und internationalen Kontrollstellen Standards zur Zertifizierung der Wirtschaft der Liebe: „Economy of Love“ (EoL) entwickelt.

Demeter- oder Fairtrade-Standards gelten bei der EoL-Zertifizierung als Mindestvoraussetzungen. Denn in der Wirtschaft der Liebe werden nicht nur die Bauern oder die Händler berücksichtigt, die das Roh- und Verpackungsmaterial für ein Produkt liefern, sondern auch der Waldarbeiter, der den Baum für das Papier fällt, aus dem etwa eine Packung hergestellt ist, oder der Fahrer, der das Papier transportiert. Wir wollen von Anfang bis Ende Transparenz gewährleisten, nicht zuletzt, weil wir davon überzeugt sind, dass KundInnen erst dann eine mündige Kaufentscheidung treffen können. Auf das Wesentliche zusammengefasst wollen wir erreichen, dass KonsumentInnen in der Lage sind, vier grundlegende Fragen in Bezug auf das von ihnen gewählte Produkt zu beantworten, nämlich:

  1. Welche Auswirkungen hat das Produkt und dessen Herstellung auf die soziale und gesellschaftliche Umgebung?
  2. Welche Auswirkungen hat das Produkt und dessen Herstellung auf die Umwelt und Natur?
  3. Welche Auswirkungen hat das Produkt und dessen Herstellung auf die Entwicklung und Potentialentfaltung von Menschen?
  4. Wie ist der wahre Preis des Produktes?

Erst wenn so viel Transparenz geschaffen wurde, dass diese vier Fragen zufriedenstellend beantwortet werden können, kann auch Sorge dafür getragen werden, dass die wirtschaftliche Aktivität weder Umwelt noch Menschen schadet, sondern sie stattdessen fördert.

Die Einbeziehung der vier Dimensionen in die transparente Sichtbarmachung ist einer der größten Unterschiede und Fortschritte im Vergleich zu anderen Standards. Der kulturelle Aspekt, also die Frage danach, wie ein Produkt sowohl die Potentialentfaltung der VerbraucherInnen als auch der ProduzentInnen beeinflusst, wird in der Produktion bislang wenig bis gar nicht berücksichtigt. EoL soll ein multidimensionaler Standard für eine ganzheitlich nachhaltige Entwicklung sein. Das heißt beispielsweise, dass ProduzentInnen immer Zugang zu regelmäßigen kulturellen Aktivitäten und Bildungsangeboten haben müssen, dass die lokale Kultur eingebunden und lebenslanges Lernen garantiert sein müssen. Die EoL-Zertifizierung bietet auch wichtige Erweiterungen zur Bio- oder Fairtrade-Zertifizierung. Denn Wasserverbrauch, CO2-Fußabdruck oder der Einsatz von erneuerbaren Energien sind ebenso wichtig für eine verantwortungsvolle Agrikultur. Und Bewusstseinsbildung, Förderung von menschlichem Potential oder Gemeinschaftsentwicklung sind für ethisches Wirtschaften von vergleichbarer Bedeutung wie ein faires Gehalt oder soziale Absicherung.

Über ein Rückverfolgungs-Tool wird die komplette Wertschöpfungskette für alle sichtbar gemacht. So gibt das Tool Auskunft über die Bauern und VerarbeiterInnen, aber auch zu Transport, dem ökologischen Fußabdruck, oder den tatsächlichen Kosten der Produktion (also Kosten, die für Wasserverbrauch, Wasseraufbereitung, Luftsäuberung, Energie oder CO2 Ausstoß anfallen, siehe dazu SVG 5). Diese tatsächlichen Produktionskosten werden im EoL-Standard erstmalig in Form einer Zertifizierung berücksichtigt.

Bis 2027 sollen alle unsere eigenen Produkte EoL-zertifiziert sein und möglichst viele unser Partnerunternehmen, die wir mit Rohstoffen beliefern. Außerdem soll EoL langfristig nicht nur Lebensmittel, sondern alle Produkte und Dienstleistungen zertifizieren. Wir wollen damit zeigen, dass eine nachhaltige Wirtschaft, die Umwelt und Menschen fördert anstelle sie auszubeuten, ebenso erfolgreich und finanziell lohnend sein kann wie ausbeuterische Modelle.

Inspiration: Wirtschaft der Liebe ist effizient und kostengünstig

Mit der Economy of Love-Zertifizierung wollen wir es VerbraucherInnen ermöglichen, Produkte vollkommen transparent zurückzuverfolgen und den tatsächlichen Preis zu kennen. KundInnen werden so ermächtigt, die richtige Kaufentscheidung zu treffen. Denn die aktuellen Preise spiegeln meist eine Illusion wieder. Dazu gibt es einen Barcode auf jedem Produkt, der zu unserer Website führt, wo umfangreiche Hintergrundinformationen zur Verfügung stehen. Über den EoL-Standard wird deutlich, dass die Preise in den Regalen nicht die realen Preise darstellen.

Als Beispiel sei unser Anis-Tee genannt. Vergleichen wir die Kosten von einer Schachtel SEKEM-Anis-Tee mit einem konventionellen Konkurrenzprodukt in Ägypten, können wir folgendes feststellen: Der konventionelle Tee kostet die VerbraucherInnen zwar rund 20 Prozent weniger (16 Ägyptische Pfund) als die gleiche Menge unseres Bio-Tees (20 Ägyptische Pfund); aber: Bei der Produktion kommt der Bio-Tee mit 25 Liter weniger Wasser aus und verunreinigt das Grundwasser nicht. Die Aufbereitung verschmutzten Wassers kann mit 5 Ägyptischen Pfund pro Packung kalkuliert werden. Außerdem werden bei dem Anis-Anbau für eine Schachtel Anistee in der Bio-Landwirtschaft rund 75 Gramm CO2 gebunden, während bei der konventionellen Landwirtschaft gar kein CO2 gebunden wird. Wenn die CO2-Emissionen bepreist würden, wie von der FAO vorgeschlagen, etwa mit einem Ägyptischen Pfund, würde dies das konventionelle Produkt um ein weiteres Pfund pro Schachtel teurer machen. Damit läge der Anis-Tee der konventionellen Konkurrenz bereits bei 22 Ägyptischen Pfund und wäre 10% teurer als unser EoL-zertifiziertes Produkt.

Quelle: Helmy Abouleish mit Christine Arlt: SEKEM, Inspirationen – Impulse für einen zukünftigen Wandel, ISBN 978-5-95779-165-8, Frankfurt am Main 2022, Kapitel „Vision (SVG 11): Wirtschaft der Liebe“

Wege zur Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben

Auszug aus Wolfgang Ritter: Wirtschaft der Liebe – Elemente einer künftigen Wirtschaftsordnung, 2. Auflage 2016, ISBN 978-3-89979-220-1

Partner im Wirtschaftsleben sind Käufer und Verkäufer. Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben bedeutet: Interesse für den Geschäftspartner, Kenntnis seiner Handlungsbedingungen und Verständnis für seine Bedürfnisse. Wie kommen nun Käufer und Verkäufer zu brüderlichem Handeln?

Man kann eine erste Erfahrung machen: Ich denke! Also bin ich verbunden mit übersinnlichen Welten, denn das Denken ist zwar an den physischen Leib gebunden, aber übersinnlicher Natur. Es funktioniert z.B. auch nach dem Tode. Durch mein Denken habe ich Anteil an der göttlichen Weisheit – und alle anderen Menschen auch. Alle Menschen sind von den gleichen Göttern gedacht wie du und haben durch ihr Denken Anteil am göttlichen Weisheitsstrom, der aber frei lässt im Handeln. Bedenke die anderen Menschen, deine Brüder! Aus der Erfahrung eines vertikalen Weisheitsstromes bilde ich einen horizontalen und löse damit Egoismen auf der Denkebene auf. Eine zweite Erfahrung sagt mir: Göttliche Liebe durchströmt mich – und alle anderen Geschöpfe auch. Alle Geschöpfe werden von den Göttern genauso geliebt wie du. Liebe du sie auch! Aus der Erfahrung eines vertikalen Liebesstromes bilde ich einen horizontalen und löse damit Egoismen auf der Gefühlsebene auf. Jetzt kommt es darauf an, den Egoismus auch auf der Willensebene zu überwinden bzw. die Liebe oder Brüderlichkeit auch im täglichen Handeln walten zu lassen.

Gesichtspunkte für den Käufer
Der Käufer als Wirtschaftspartner entscheidet durch seine Nachfrage über das, was produziert wird. Rege Nachfrage führt zu erneuter Produktion; Güter, die nicht genügend nachgefragt werden, verschwinden aus dem Angebot. Er kann für seine Kaufentscheidungen Firmen/ Angebote bedenken, durch die Vernunft und Liebe in das wirtschaftliche Miteinander hinein kommt. Es gibt für den Käufer verschiedene Gesichtspunkte, sich für das eine oder andere Produkt zu entscheiden. Folgende Überlegungen können Beispiele dafür sein:

a) klassische Gesichtspunkte
Das Unternehmen bietet genau das Produkt/ die Dienstleistung, das/ die ich brauche, hat Waren zu günstigen/ günstigsten Preisen, verkauft Produkte guter/ bester Qualität, fertigt schöne Produkte, bietet viele Arbeitsplätze, ist bedeutend für mein Land, zahlt Steuern im Inland.
b) moderne Gesichtspunkte im Sinne der Brüderlichkeit
Das Unternehmen
• fördert das Gemeinwohl, die Wissenschaft, die Bildung, das sonstige kulturelle Leben
• folgt im eigenen Unternehmen sozialen Grundsätzen (social entrepreneur)
• arbeitet nachhaltig (ökologisch)
• produziert in der Region (regionale Wirtschaftskreisläufe entlasten die Umwelt)
• handelt fair (gerechte Preise für die Rohstofflieferanten, fair trade)

Gesichtspunkte für den Verkäufer
Den vom Herzen dirigierten Unternehmern hat man die Bezeichnung „social entrepreneur“ (Sozialunternehmer) gegeben. Ihnen ist nicht ein maximaler, eigener Gewinn wichtig, sondern die bedarfsgerechte Versorgung ihrer Mitmenschen. Sie beziehen die Käufer in ihre Produktionsentscheidungen/ ihr Angebot und ihre Mitarbeiter in ihre Arbeitsablauf- und Arbeitsplatzgestaltung mit ein. Sie überlegen zum Beispiel Folgendes:

a) klassische Gesichtspunkte: Kundenzufriedenheit ist der Schlüssel für geschäftlichen Erfolg. Das bedeutet: Wir müssen moderne Produkte in ausreichender Menge und guter Qualität liefern. Wir müssen unser Angebot/ unsere Arbeitsbedingungen optimieren, um möglichst hohe Gewinne zu erzielen und langfristig im Wettbewerb bestehen zu können. Wir wollen neue Produkte/ Dienstleistungen auf den Markt bringen, um unseren Umsatz und Gewinn zu steigern. Dazu müssen wir Geld für Marktforschung einsetzen, um zu erfahren, was bei den Kunden ankommt. Um eine marktbeherrschende Stellung zu erzielen, müssen wir versuchen die Konkurrenz durch ruinösen Wettbewerb zu verdrängen oder durch Übernahme mit anschließender Integration oder Zerschlagung auszuschalten.
b) moderne Gesichtspunkte im Sinne der Brüderlichkeit
• Jeder Mensch ist auch ein potentieller Wirtschaftspartner, Kunde oder Mitarbeiter mit Fähigkeiten, Ideen und Kaufkraft für unsere Unternehmung. Deshalb gilt es, das Image des Unternehmens zu pflegen. Wir wollen uns als nachhaltig arbeitendes, sozial geführtes, dem Allgemeinwohl verpflichtetes Unternehmen einen guten Namen machen.
• Wir sollten die wirklichen Bedürfnisse/ den wirklichen Bedarf ermitteln, um bedürfnis- und bedarfsgerecht zu erzeugen/ anzubieten.
• Unsere Mitarbeiter leisten gute Arbeit, wenn sie alle Arbeitsschritte kennen, ihren Beitrag im Betriebsgeschehen beherrschen und ihren Arbeitseinsatz angemessen gewürdigt und honoriert sehen. Mitarbeiteraus- und -fortbildung, menschengemäße Arbeitsablauf- und Arbeitsplatzgestaltung sowie zeitgemäße Einkommensgestaltung gehören zu den Aufgaben der Unternehmensführung.
• Ertrag wird durch den Einsatz von Kapital und Arbeit erzielt; er gehört also aufgeteilt unter den Kapitalgebern und Arbeitsleistenden. Langfristig ist die Entlohnung abzulösen durch die Ertragsteilung. Man kann vorläufig Modelle der Arbeitnehmerbeteiligung am Gewinn erproben.
Auf diese Weise gelebte Vernunft wird bei den Wirtschaftspartnern zu dem Wunsch nach besserer gegenseitiger Wahrnehmung führen: Der Weg für die Bildung von Branchen-Assoziationen ist frei.

„Das Geheimnis der Liebe“ – „Wirtschaft der Liebe“

Liebe Leserinnen und Leser,

im letzten Info-Brief haben wir über den neuen Standard/ das neue Siegel „Wirtschaft der Liebe“ berichtet (siehe Info-Brief 63/ Assoziative Zusammenarbeit; auch auf www.netz.bio/ Archiv). Gerne möchte ich einige Gedanken zur Bedeutung von Liebe in der Wirtschaft vortragen, die ich dem Buch „Das Geheimnis der Liebe“ von Pietro Archiati, ISBN 978-3-86772-611-5, entnommen habe (Ausschnitte aus den Seiten 183 ff).

„Wenn die Liebe mehr als nur Selbstgenuss sein will, wenn sie sich bemüht, sich die Angelegenheiten anderer zu eigen zu machen, dann wird sie bestrebt sein, immer besser zu erkennen, was ein Mensch in der Menschheit, was er für sie und was sie für ihn ist. Wer einen Menschen liebt, wird auch all das wichtig nehmen, was er für sein Dasein von den anderen benötigt, er wird auch all das fördern, was dieser Mensch seinen Mitmenschen geben kann. Und die ganze Menschheit als einen lebendigen, übersinnlichen Organismus zu lieben heißt, immer besser die tausend Wege zu erkennen, wie alle einzelnen Menschen und alle Völker sich ineinander gliedern, um sich gegenseitig zu fördern. Was in der heutigen Menschheit am dringendsten nottut, sind Menschen, die in ihrem denkenden Bewusstsein die gesamte Menschheit als einheitlichen Organismus tragen, sie so geistesgegenwärtig haben, dass diese Liebe zum inspirierenden Quell selbst bei den kleinsten Handlungen im Alltag werden kann.“

„Der soziale Organismus ist die Verkörperung der menschlichen Liebe. Die drei Grundkräfte der Liebe – die Liebe zur Freiheit jedes Einzelnen, die Liebe zur Solidarität aller Menschen untereinander und die Liebe zum Menschen in jedem Menschen – finden ihren Ausdruck in der dreigliedrigen Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung. Ein erster Bereich umfasst alle wirtschaftlichen Tätigkeiten. Die Wirtschaft gedeiht durch eine ganz besondere Erscheinungsform der Liebe, die man die Kunst der Solidarität oder der Brüderlichkeit nennen kann. Vor allem die moderne Wirtschaft ist für die Befriedigung reiner Bedürfnisse auf die Arbeitsteilung gebaut, und Arbeitsteilung heißt: Jeder ist auf die Arbeit des anderen angewiesen, jeder kann nur für den anderen arbeiten und keiner für sich. Ein zweiter eigenständiger Bereich des sozialen Zusammenlebens entsteht durch eine andere, ganz besondere Art der Liebe, nämlich durch das berechtigte Bestreben jedes einzelnen Menschen, bei der Herstellung von Waren und Dienstleistungen seine Fähigkeiten auf freie Weise zur Geltung zu bringen. Zu diesem Bereich gehören die Pflege der Kultur, der wissenschaftlichen Forschung, die Kindererziehung sowie die Förderung aller Begabungen, alle künstlerische Tätigkeit und der religiöse Umgang mit der Welt des Geistes.“

„Weil individuelle Freiheit und gemeinschaftliche Solidarität nicht anders können als eine gesunde Spannung zu erzeugen, ist eine ständige Vermittlung zwischen diesen zwei Gegensätzen des Lebens notwendig. Diese Vermittlung wird durch eine dritte Art der menschlichen Liebe gewährleistet, die der Freiheit und der Solidarität den gleichen Wert beizumessen weiß. Es ist die Liebe zur Würde aller Menschen, insoweit sie alle durch ihre Begabungen gleich Gebende und in ihren Bedürfnissen gleich Empfangende sind. Dieser dritte Bereich des Sozialen, wo es um Gerechtigkeit, die gleichen Rechte und Pflichten aller Menschen geht, kann nur gedeihen, wenn er seine eigene Selbständigkeit hat, weil er sich weder vom einseitigen Geist der Freiheit noch von dem der Brüderlichkeit verfremden lassen darf.“

„Nur der einzelne Mensch kann denken und lieben, niemals eine Gruppe oder ein Volk, das ja nur aus einzelnen Menschen besteht. Nur das Individuum kann die Entscheidung treffen, jeden Menschen und die ganze Menschheit zu lieben – kein Staat ist dazu fähig. Jede Volkswirtschaft wird der Weltwirtschaft gegenüber immer ohnmächtiger, der einzelne Mensch aber immer mächtiger. Er kann Entscheidungen treffen – etwa über die Art und Weise, wie er mit seinem Geld umgeht, wo und wie er seine Kaufkraft einsetzt -, die einen direkten Einfluss auf die Weltwirtschaft haben und die zugleich seine Liebe zu Mensch und Natur unmittelbar ausdrücken können.“

Weitere Sichtweisen auf Aspekte der Liebe im Wirtschaftsleben sind dargelegt in: Wolfgang Ritter, „Wirtschaft der Liebe – Elemente einer künftigen Wirtschaftsordnung“, Borchen 2016, ISBN 978-3-89979-220-1. In Kapitel 6 wird gezeigt, wo Ansätze für die Verwirklichung der Liebe im Wirtschaftsleben zu finden sind, Kapitel 7 zeigt Wege zur Liebe im Wirtschaftsleben.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter

Neuer Standard: „Wirtschaft der Liebe“

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Foto: SEKEM

„Economy of Love“ (EoL), deutsch „Wirtschaft der Liebe“, wurde von der EBDA (Egyptian Biodynamic Association) entwickelt, wird vom COAE (Center for Organic Agriculture in Egypt) zertifiziert und ist stark von der ganzheitlichen Vision SEKEMs inspiriert. Das ist auch der erste Unterschied zu anderen Standards. Während die einen den Umgang mit der Umwelt beurteilen, konzentrieren sich andere auf faire Vergütung und Arbeitsbedingungen. EoL will beides abdecken und noch mehr: „Der kulturelle Aspekt, also die Frage danach, wie ein Produkt sowohl die Potentialentfaltung der Verbraucher als auch der Produzenten beeinflusst, berücksichtigt bisher kein anderes Label“, weiß Helmy Abouleish, der als Geschäftsführer der SEKEM Initiative die Entwicklung der Standards eng begleitet hat. „EoL soll ein multidimensionaler Standard für eine ganzheitliche nachhaltige Entwicklung sein.“ So müssen die Produzenten beispielsweise immer Zugang zu regelmäßigen kulturellen Aktivitäten und Bildungsangeboten haben, die lokale Kultur muss berücksichtigt und eingebunden werden und lebenslanges Lernen garantiert sein. Des weiteren gilt bei den Kultur-Kriterien, dass nur solche Produkte EoL-zertifiziert werden, die auch zur Potentialentwicklung der Verbraucher sinnvoll beitragen. Die Zertifizierten müssen also nicht nur den Anforderungen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft oder des fairen Handelns nachkommen, sondern weitaus mehr: Die insgesamt 20 Grundkriterien betreffen die vier Dimensionen Kultur, Soziales, Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen.

Die Notwendigkeit eines weiteren Standards sehen die Entwickler auch

netz.bio, sei.bio, Netz, Bio, Bioverbraucher, Bio-Verbraucher, Netzwerk, Suchmaschine, Liste, Bio-Reisen, Reisen, Bio-Adressen, Adressen, Bio-Anbieter, Anbieter, Bio-Erzeuger, Erzeuger, Bio-Dienstleister, Dienstleistungen, Bio-Berater, Bio-Beratung, Bio-Produzenten, Produzenten, Bio-Händler, Händler, Laden, Läden, Bio-Produkte, Bio-Erzeugnisse, Bio-Blog, Info-Brief, Bio-Nachrichten, Assoziative Zusammenarbeit, Bio-Angebote, Bio-Termine, Bio-Ausflüge, Bio-Landwirtschaft, Landwirtschaft und Handel, Wissenschaft/Forschung, Qualitäts- und Preisrecherchen, Grüne Gentechnik, BioMetropole Nürnberg, Biometropole, Bio Metropole, Verbrauchermeinung, Rezept des Monats, Rezepte, Online-Shops, Online Shop, Demeter, Bioland, Naturland, Biokreis, Bio-Kreis, Bio-Siegel, EG Öko Siegel, Siegel, Bio-Kochen, Bio-Gerichte, Bio-Rezepte, Bio-Einkaufen, Bio-Essen, Bio-Nachrichten, Bio-Veranstaltungen, Bio-Netz, Bio-Literatur, Bio-Angebote, Bio-Gesuche, Angebote und Gesuche, Bio-Berichte, Bio-Bilder, Mode, Urlaub, Reisen, Ausflug, Wein, Milch, Fleisch, Getreide, nachhaltig, fair, fair gehandelt, fair trade, Bauern, Winzer, Olivenöl, Öle, Massage, Wellness, Aktiv Urlaub, Reiterhof, Aktionen, Wolfgang Ritter, Deutschland, Bayern, Franken, Hessen, Baden Württemberg, Österreich, Italien, Griechenland, Frankreich, Dominikanische Republik, Malawi, Bio-Musterfarm, BioFach
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Foto: SEKEM

darin, dass keines der momentan vorhandenen Labels die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und transparent darstellen kann. „Wenn die Verbraucher die Möglichkeit hätten, die Herkunft und den Weg eines Produktes nachzuvollziehen, würden sie ein anderes Kaufverhalten an den Tag legen, davon sind wir überzeugt“, so Justus Harm, der das Label mit der EBDA hauptverantwortlich entwickelt hat. „Wir wollen den gesamten Wertschöpfungskreislauf darstellen, um die Anonymität zwischen Konsumenten und Produzenten aufzuheben. Die verlorengegangene Beziehung zum Ursprung eines Produkts hat stark zu dem enormen Wertverlust von Waren und Arbeit beigetragen.“ Und zu dieser Transparenz gehört viel mehr als ausschließlich die Rückverfolgung der Haupt-Rohware, die nur einen bestimmten Teil des gesamten Produkts ausmacht; EoL berücksichtigt auch die Herkunft der Verpackungsmaterialien, die Transportwege, die Verarbeitung und die tatsächlichen Kosten, die bei der Produktion verursacht werden. Dabei wird auf Studien und praktische Erfahrung mit der „True Cost Accounting Methode“ zurückgegriffen, in denen die externalisierten Kosten der Herstellung wie beispielsweise Wasser-Verbrauch, Umweltbelastungen oder CO2-Ausstoß in den Produktpreis mit einkalkuliert werden. Zertifizierte müssen diese Kosten offenlegen, um Teil des EoL-Netzwerkes zu sein.

Das „impacTrace“-Tool ermöglicht die komplette Rückverfolgung eines Produktes. Hier können Verbraucher Informationen über die Bauern, über Transport, Verpackung, Verarbeitung oder den ökologischen Fußabdruck einholen.

Die „Economy of Love“-Zertifizierung kann ab sofort von Bauern und Verarbeitern in Ägypten bei der COAE beantragt werden. Unterstützt wird das neue EoL-Label auch auf internationaler Ebene von Akteuren aus der Bio- und Fairtrade-Branche. „Nicht nur SEKEM hat erkannt, dass Bio-Zertifizierungen oder faire Wirtschaftssiegel nicht mehr ausreichen. Wir müssen ganzheitlich denken und agieren, um die Branche wirklich nachhaltig verändern zu können“, so Helmy Abouleish. „Deshalb sind wir dabei unsere SEKEM-Farmen und alle unsere über 400 Vertragsbauern im Land EoL zertifizieren zu lassen. Wir sehen in dem Ansatz einen grundlegenden Schritt für die Entwicklung der Landwirtschaft als auch der Menschen entlang der Wertschöpfungskette.“

Quelle: SEKEMNews-40Years-2, SEKEMs Newsletter für nachhaltige Wirtschaft, Ökologie, Kultur und Gesellschaft in Ägypten!, Kairo, den 26. Juni 2020; siehe auch: Wolfgang Ritter, Wirtschaft der Liebe – Elemente einer künftigen Wirtschaftsordnung, Borchen, 2. Auflage 2016