Rückschritt für Verbraucher und Landwirte: Europaparlament stimmt für Deregulierung Neuer Gentechnik; Bioland kommentiert die EU-Parlamentsabstimmung

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch über den Gesetzesentwurf zu den sogenannten „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT) abgestimmt. Das Ergebnis: 307 zu 263 Stimmen bei 41 Enthaltungen für den Vorschlag der EU-Kommission. Damit rückt das Ende der Wahlfreiheit und des Vorsorge-Prinzips in Bezug auf Gentechnik näher. Kleiner Lichtblick: Immerhin stimmte eine Mehrheit für einige Mindestanforderungen für die Transparenz und Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit. Darauf müssen die Mitgliedstaaten nun aufbauen, um die gentechnikfreie Landwirtschaft in Europa abzusichern.

„Das Parlaments-Votum ist voller Widersprüche. Es erkennt zwar einige wichtige Probleme im Zusammenhang mit der Deregulierung Neuer Gentechnik an, stellt aber keine konkreten Lösungen in Aussicht. Letztlich bleibt unter dem Strich stehen: Die Wahlfreiheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger in Bezug auf Gentechnik gerät immer mehr in Gefahr. Und landwirtschaftliche Betriebe sowie Züchter werden nicht vor der Abhängigkeit von Chemie-Konzernen durch die Patentierung auf Pflanzeneigenschaften geschützt“, kommentiert Bioland-Vizepräsident Sabine Kabath.

Während das Parlament einerseits für den Entwurf stimmte, der die Patentierung auf Pflanzeneigenschaften erst ermöglichen würde, erkannte es andererseits an, dass Patente auf Saatgut eine Bedrohung für den europäischen Züchtungssektor darstellen und sich der Patentschutz nicht auf genetisches Material erstrecken sollte, das auch durch konventionelle Züchtung gewonnen werden kann.

Ökolandbau weiter ohne Gentechnik, Ko-Existenzfrage unbeantwortet

Der Ökolandbau soll weiter für alle Arten von Gentechnik verschlossen bleiben, auch für die Neuen gentechnischen Verfahren. Änderungsanträge, mit denen Mitgliedstaaten daran gehindert worden wären, Koexistenzmaßnahmen für Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik zu ergreifen lehnte das Parlament ab.

Eine Stellungnahme des Rats der Europäischen Union wird noch erwartet, bevor die Trilog-Verhandlungen beginnen können. Sabine Kabath: „Es ist gut und richtig, dass der Rat der europäischen Union sich jetzt mehr Zeit nehmen wird. Die muss er nutzen: vor allem, um eine rechtssichere Lösung zu präsentieren, die Züchtung und Landwirtschaft vor Patenten schützt und um praktikable Koexistenz-Maßnahmen zu entwickeln. Nur so kann die Wahlfreiheit von Landwirt*innen, Lebensmittelherstellern und Verbraucher*innen doch noch gewährleistet werden.“

Quelle: Bioland-Pressemitteilung vom 7.02.2024, presse@bioland.de

Gentechnikfreie Landwirtschaft und Wahlfreiheit erhalten, Patentflut verhindern

Vier Kernaussagen von Bioland und IFOAM Organics Europe-Präsident Jan Plagge beim BMELEvent zu Neuer Gentechnik am 5. Oktober 2023 in Brüssel

  1. „Der Ökologische Landbau arbeitet naturnah und basiert auf den Prinzipien der Vorsorge
    und Risikominimierung für Mensch, Tier und Umwelt. Diesen Prinzipien widerspricht die
    Gentechnik, da sie für Organismen und Ökosysteme hochriskant ist. Daher hat
    Gentechnik im Ökolandbau keinen Platz.“
  2. „Viele Menschen in Europa, nicht nur Landwirte, sondern auch Verbraucher, sehen
    Gentechnik skeptisch und wollen selbst darüber entscheiden, ob sie Gentechnik-Lebensmittel verzehren, oder nicht. Diese Wahlfreiheit gibt es aber nur mit einer konsequenten Kennzeichnung beim Einsatz von Gentechnik – und zwar bis zum Endprodukt.“
  3. „Der Entwurf der EU-Kommission für ein neues Gentechnikrecht erkennt an, dass Öko-
    Landwirte weiterhin ohne Gentechnik arbeiten können müssen. Erste Ansätze, wie das
    trotz eines deregulierten Gentechnikrechts gewährleistet werden soll, sind beschrieben.
    Es braucht aber mehr: eine weitgehende praxistaugliche Ko-Existenz-Regelung für
    Anbauformen mit und ohne Gentechnik in Europa.“
  4. Das Patentrecht muss überarbeitet werden, bevor das Gentechnikrecht angefasst wird.
    Denn sonst würde es zu einer Patentflut kommen, die bäuerliche Betriebe und den
    Mittelstand in der Pflanzenzucht in noch größere Abhängigkeit zu den großen
    Agrochemie-Konzernen zwingt. Und daran hat niemand in der Landwirtschaft Interesse
    – ganz unabhängig von der Anbauform.“

Quelle: presse@bioland.de vom 5.10.2023

Bioland und Demeter: Kein Freifahrtschein für Gentech-Industrie!

Ausschnitt aus der gemeinsamen Pressemitteilung von Demeter und Bioland zum Thema „Neue Gentechnik und ihre Auswirkungen auf Ökosysteme“ vom 1 . März 2023

Die EU-Kommission will im Jahr 2023 einen Gesetzesvorschlag zu „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT) vorlegen, mit dem das Inverkehrbringen und die absichtliche Freisetzung in die Umwelt von Pflanzen, die mit Hilfe Neuer Gentechnik erstellt wurden, ohne umfassende Vorsorgemaßnahmen möglich wird. Nicht nur für die Öko-Landwirt*innen ist das ein Problem.
Auf dem Spiel steht, dass gentechnikfreier Anbau in Zukunft überhaupt noch möglich ist.

Um Koexistenz verschiedener Anbaumethoden und Wahlfreiheit der Verbraucher*innen sicherzustellen, brauche es weiterhin verbindliche Regelungen, unterstreichen Bioland und Demeter. Diese müssten Nachweisbarkeit, Rückverfolgbarkeit und eine klare Kennzeichnung –
für Landwirt*innen und auch für Verbraucher*innen – der mit Neuer Gentechnik erzeugter Produkte gewährleisten. Die Bundesregierung müsse in dieser Diskussion nun klar Position dafür beziehen, dass auch Neue Gentechnik streng reguliert bleibt.

„Das Umweltministerium hat sich zu Recht für eine auf Vorsorge beruhende Regulierung der Neuen Gentechniken ausgesprochen. Von der Bundesregierung fehlt diese klare Positionierung, obwohl Kanzler Scholz noch im Wahlkampf versprochen hat, sich gegen eine Deregulierung
einzusetzen. Je länger Deutschland sich in Brüssel nicht klar positioniert, desto wahrscheinlicher wird ein Freifahrtschein für die Gentech-Industrie, für den sie in Brüssel seit Monaten massiv in allen Institutionen lobbyiert. Der Sekt in den Konzernzentralen dürfte dafür schon kalt gestellt sein“, mahnt Bioland-Präsident Jan Plagge.

„Klar ist: Um die Nachhaltigkeitsziele im Sinne des Green Deal zu erreichen, braucht es den Ökolandbau – denn Ökobetriebe fördern die Biodiversität, den Klimaschutz und sauberes Grundwasser. Deshalb hat sich die Bundesregierung 30 Prozent Ökolandbau als Ziel gesetzt – in der EU gilt das 25 Prozent Ziel. Um dies zu erreichen, braucht es einen fairen gesetzlichen
Rahmen. Die hier geplante De-Regulierung von neuen Gentechniken wäre jedoch ein Nackenschlag für den Ökolandbau!“, analysiert Demeter-Vorstand Alexander Gerber.

„Eine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen ohne Risikobewertung und ohne Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen, bedeutet ein hohes Kontaminationsrisiko – und damit wirtschaftliche Risiken und Kosten für die Ökobetriebe. In der Umweltgesetzgebung der EU gilt
das Vorsorgeprinzip – dies muss auch bei den neuen Gentechniken weiterhin angewandt werden“, erklärt Gerber weiter. „Bei der Folgenabschätzung für die Umwelt muss mit bedacht
werden, welche Art der Landwirtschaft durch diese neue Gesetzgebung gefördert wird – die von der EU-Kommission beabsichtigte Deregulierung schadet den Nachhaltigkeitszielen in der Landwirtschaft!“

Wem hilft die Gentechnik? – Ein Interview

Wem hilft die Gentechnik?

Interview mit Benedikt Haerlin, ganzheitlicher Innovationsdenker, Gentechnikexperte und Leiter der Kampagne Save Our Seeds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

Wie hat sich der Einsatz der Gentechnik in den letzten 20 Jahren verändert?

Erstaunlicherweise sehr wenig: Noch immer geht es zu über 90% um Soja, Mais, Baumwolle und Raps und noch immer fast ausschließlich um Herbizid-Resistenz und Insektengiftigkeit. Die Schäden dieser Anwendungen sind enorm, weil sie Monokulturen und den Einsatz unglaublicher Mengen an z. B. Glyphosat bewirken. Sehr viele Beikräuter und auch einige Insekten sind mittlerweile selbst resistent gegen diese Gifte geworden und somit kaum mehr zu bekämpfen.

Brauchen wir die Gentechnik um Hungerprobleme zu lösen?

Nein. Der allergrößte Teil der Gentechnik-Pflanzen dient ja überhaupt nicht der Ernährung, sondern als Futter-, Faser- und Energiepflanze. Der Hunger ist einerseits ein Problem der Verteilung und des Zugangs zu Land, Wissen und Märkten und andererseits der nicht ausreichend angepassten Anbausysteme von Kleinstlandwirt*innen. Da helfen keine einseitigen Manipulationen des Saatgutes.

Wie sieht in deinen Augen die Landwirtschaft der Zukunft aus?

Vielfältig in allererster Linie, angepasst an die jeweiligen lokalen Bedingungen mit möglichst widerstandsfähigen und flexiblen Anbausystemen von sich gegenseitig ergänzenden Pflanzen, Tieren und Mikroklimakonzepten. Landwirtschaft kann klimapositiv sein und mehr CO2 aufnehmen als abgeben, und Landwirtschaft soll sich vollkommen auf die Ernährung der Menschen vor Ort konzentrieren und nicht der Profitmaximierung von Investoren. Die begehrtesten Arbeitsplätze sollten in der Landwirtschaft zu finden sein, weil hier Natur, Kultur, Wissenschaft und Technik, Gesundheit, soziale Anerkennung und Integration so beglückend zusammenwirken wie nirgends sonst. Ein Ort und eine Gemeinschaft, die wir stolz unseren Kindern übergeben wollen.

Quelle: Jahresbrief 2022/2023 der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de

Wahlmöglichkeit in Gefahr – unser Engagement für ökologische Vielfalt

Im vergangenen Jahr wollte die EU-Kommission mit einer Umfrage wissen, ob die Bürger mit der Nicht-Deklaration der neuen gentechnischen Methoden wie z.B. CRISPR/Cas einverstanden sind. Zahlreich waren die Unterschriften gegen dieses Vorhaben. Unbeeindruckt davon drängen jedoch die amerikanischen und europäischen Chemie- und Saatgutkonzerne bei der EU-Kommission darauf, dass die mit den neuen gentechnischen Methoden produzierten Produkte NICHT als GVO zu kennzeichnen sind. Die Patente für das entsprechende Saatgut sind im Besitz dieser Konzerne.

ELIANT setzt sich seit vielen Jahren für den Erhalt zukunftsfähiger Wahlmöglichkeiten ein – denn was nützt die garantierte Wahlfreiheit, wenn die Möglichkeiten zu wählen immer mehr schwinden? Daher möchten wir Sie in diesem Newsletter ganz herzlich bitten, diese Petition zu unterstützen und weitest möglich in ihrem Umfeld zu verbreiten. Lanciert hat diese Petition unser ELIANT-Mitglied, die Biodynamic Federation Demeter International.

Unsere Forderungen

Wir fordern die europäischen Entscheidungsträger auf, sich entschieden gegen alle Versuche zu wehren, neue GVO von den bestehenden EU-Rechtsvorschriften für GVO auszuschließen und die obligatorischen Sicherheitskontrollen, die Transparenz und die Kennzeichnung aller GVO aufrechtzuerhalten, um die Sicherheit unserer Lebensmittel zu gewährleisten und die Natur, die Umwelt und unsere Entscheidungsfreiheit zu schützen.

Mit großer Sorge stellen wir fest, dass in vielen Staaten Wahlmöglichkeiten zunehmend verschwinden, dass wichtige Bedürfnisse der Bürger nicht respektiert werden, dass durch Systemdenken Vielfalt ausgelöscht und Vereinheitlichung durchgesetzt wird. Umso mehr gilt unser Vertrauen und unsere Hoffnung der Zivilgesellschaft. Mit Bürgerinitiativen und Petitionen, mit bewusstem Konsumverhalten und wachem Verfolgen der Zeitereignisse können wir täglich beitragen, unsere Erde zu einem besseren Ort zu machen.

Quelle: info@eliant.eu vom 12.05.2022

Genetisch veränderte Lebensmittelzusatzstoffe sind kennzeichnungspflichtig

Ein Großteil der Verbraucher in Deutschland steht dem Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft nach wie vor skeptisch gegenüber. Das zeigt eine Studie des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2018. Damit Konsumenten erkennen können, ob bei der Herstellung von Lebensmitteln Gentechnik eingesetzt wurde, ist eine klare Kennzeichnung erforderlich.

Landen gentechnisch veränderte Zutaten oder Bestandteile einer solchen Zutat direkt im Lebensmittel, so muss dies EU-weit eindeutig gekennzeichnet sein. Dennoch kann Gentechnik bei der Herstellung von Lebensmitteln zum Einsatz kommen, ohne dass Verbraucher davon erfahren: Zum Beispiel, wenn Milch von Kühen stammt, die gentechnisch veränderte Futtermittel bekommen haben. Auch wenn diese Milch selbst keine gentechnisch veränderten Bestandteile enthält, wollen viele Verbraucher beim Einkauf erkennen können, ob solche Futtermittel eingesetzt wurden.

GVO im Lebensmittel: immer kennzeichnungspflichtig

Nicht nur Lebensmittel, die selbst ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) sind, müssen gekennzeichnet werden. Auch alle Zutaten, Zusatzstoffe und Vitamine in Lebensmitteln, die direkt aus einem GVO stammen, sind kennzeichnungspflichtig. Dies gilt auch für gentechnisch veränderte Mikroorganismen, wenn diese einem Lebensmittel zugesetzt werden, wie die Milchsäurebakterien im Joghurt.

Laut einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs unterliegen auch neuere Verfahren der Gentechnik wie die „Genschere Crispr-Cas“ der Gentechnik-Verordnung. Bei diesem Verfahren werden keine fremden Gene ins Erbgut eingebaut, sondern das bestehende Erbgut gezielt verändert. Lebensmittel, die mit diesen neuen Verfahren erzeugt wurden, müssen daher ebenso gekennzeichnet werden wie andere gentechnisch veränderte Produkte.

Quelle: https://www.lebensmittelklarheit.de/informationen/gentechnik-lebensmitteln, abgerufen am 24.02.2022

BÖLW-Kommentar zum EuGH-Urteil über neue Gentechnik vor einem Jahr

Der Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dem höchsten Gericht der EU, stellte am 25. Juli 2018 klar, dass neuartige wie herkömmliche Gentechnik reguliert werden muss. Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert:

„Der EuGH hat vor einem Jahr in seiner Entscheidung nicht Gentechnik beurteilt und ob diese gut oder schlecht, sicher oder unsicher ist, sondern die neuen Gentechnikverfahren in das geltende Europäische Gentechnikrecht eingeordnet. Das Urteil bedeutet, dass Gentechnik wie CRIPSR-Cas und Co gemäß der EU-Freisetzungsrichtlinie reguliert werden muss, was unter anderem Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung einschließt.

Die Bundesregierung muss gewährleisten, dass die gesetzlich vorgeschriebene Regulierung und Kennzeichnung für die neuen Gentechniken vollumfänglich umgesetzt wird.

Mit der rechtlichen Einordnung schuf das EuGH Rechtssicherheit für alle in Landwirtschaft und Lebensmittelmarkt tätigen Unternehmen. Die europäischen Richter sorgten dafür, dass Bäuerinnen und Verbraucher weiter selbst darüber entscheiden können, was sie anbauen und essen. Trotz gegenteiligen Behauptungen: Nach erfolgter Zulassung können auch Produkte der neuen Gentechniken in Verkehr gebracht werden. Und es kann daran, unter Beachtung der EU-rechtlichen Bestimmungen, auch weiterhin geforscht werden.

Es ist aber jetzt wichtig, dass bei der Forschung nicht alles auf genau die Karte gesetzt wird, die bereits die letzten 20 Jahre mehr Heilsversprechen als Erfolge hervorbrachte. Es braucht dringend wieder eine unabhängige Risikoforschung, die derzeit gegen Null gefahren worden ist. Auch muss die neue Gentechnik realistisch beurteilt werden. Bis heute ist es weder durch alte, noch mit der neuen Art der Genmanipulation gelungen, etwa Resistenzen gegen wirtschaftlich bedeutende Pilzkrankheiten im Getreide, höhere Erträge oder die Resilienz gegen Extremwetterlagen zu erreichen. Denn für solche Eigenschaften genügt es nicht, eines oder wenige Gene zu verändern – weshalb man hier mit klassischen Züchtungsmethoden leichter zum Ziel kommt.

Zudem kann man den Herausforderungen, wie sie vor allem die Klima-Krise mit sich bringt, nicht allein mit Züchtung begegnen. Es kommt vielmehr darauf an, wie wir das gesamte Gefüge von der Bodenfruchtbarkeit bis hin zu den Agrarlandschaften gestalten, wie wir Fruchtfolgen abwechslungsreicher machen und vielfältige, robuste Sorten wählen. All das müssen wir den veränderten Bedingungen anpassen – wir sehen hier bereits viele Erfolge, aber auch dringenden weiteren Forschungsbedarf. Eine ausgewogene und am Vorsorgeprinzip orientierte Forschungspolitik muss auch hierfür Mittel und entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen!“
Quelle: presse@boelw.de vom 24.07.2019

Wie Agro-Gentechnik zum Artenschwund führt

Eine von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sind auf unserem Planeten vom Aussterben bedroht, gab der Weltbiodiversitätsrat gestern bekannt. Dazu trägt die industrialisierte Landwirtschaft mit Monokulturen gentechnisch veränderter Pflanzen (GVO), die mit passenden Pestiziden besprüht werden, wesentlich bei. Die Bundesumweltministerin forderte eine grundlegende Reform der Agrarpolitik.

„Besonders schlecht geht es Vögeln und Insekten, die in der Agrarlandschaft leben“, sagte Josef Settele, einer der leitenden Autoren des neuen Biodiversitätsberichts, der Süddeutschen Zeitung (SZ). Zum einen fänden sie auf den effektiv genutzten Agrarflächen keinen Lebensraum mehr. Zum anderen machen den Insekten, die wiederum die Vögel ernähren, Insektizide und Insektengift produzierende Gentech-Pflanzen zu schaffen. Setteles Lösung: Pestizideinsatz in der Landwirtschaft reduzieren. „Ich bin nicht für ein totales Verbot“, so der Insektenforscher gegenüber der SZ. „Aber ich bin überzeugt, dass der Einsatz dieser Mittel deutlich zurückgefahren werden kann, ohne dass die Produktion darunter leidet.“

„Die Gentechnik trägt mit GVO-Monokulturen, hohem Pestizideinsatz und der Verengung der angebauten Sorten- und Artenvielfalt direkt zur Verdrängung bio-diverser Kulturlandschaften und zum Artensterben in der Landschaft bei“, kritisierte auch Daniela Wannemacher, Gentechnikexpertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz BUND. Dabei habe der Bericht auch ergeben, dass die genetische Vielfalt dramatisch zurückgehe. „Und die Erhaltung von Diversität betrifft auch das genetische Erbe“, so Wannemacher. In der Landwirtschaft schrumpft die genetische Vielfalt etwa, weil zunehmend genetisch verändertes Saatgut der Agrarkonzerne den Anbau dominiert. Konventionelle regionale Sorten werden weniger weiterentwickelt.

Dass sich Genveränderungen auch auf die Inhaltsstoffe einer Pflanze oder Farbe und Geruch ihrer Blüten auswirken können, darauf wies die gentechnikkritische Organisation Testbiotech am Beispiel der Leinsaat hin. Dies könne erhebliche Auswirkungen auf Bienen und andere Insekten haben. Die Veränderungen könnten Wachstum und Fruchtbarkeit der Organismen beeinflussen, die sich von diesen Pflanzen ernähren. Entsprechende Effekte könnten sich dann in der Nahrungskette fortsetzen und auf die natürliche Artenvielfalt auswirken.

Für Peter Röhrig vom Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft hat der Biodiversitätsbericht eine zentrale Botschaft: „Wir brauchen eine grundlegende Systemänderung – insbesondere im Bereich Landwirtschaft und Ernährung.“ Eine zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft brauche stabile, vielfältige Systeme – und eine darauf ausgerichtete Züchtung, die ebenfalls auf genetische Vielfalt und Anpassungsfähigkeit setzt. „Öko-Bäuerinnen und Bauern auf der ganzen Welt beweisen jeden Tag, dass und wie eine Lebensmittelproduktion funktioniert, die uns mit gutem Essen versorgt, und gleichzeitig unseren Planeten erhält“, so Röhrig. Die Bio-Züchtung habe bereits viele erfolgreiche Ansätze entwickelt, wie das künftig noch besser gelingen könne. Hierauf müsse man künftig die Ressourcen konzentrieren.

Für den Biodiversitätsbericht haben 450 Wissenschaftler aus 50 Staaten drei Jahre lang nahezu 15.000 Studien ausgewertet. Sie stellten fest, dass die Arten heute hundertmal schneller aussterben, als in den vergangen zehn Millionen Jahren. Ein Drittel der Landfläche und 75 Prozent des Wassers werden heute von der Landwirtschaft genutzt. Die Nahrungsmittelproduktion hat sich seit 1970 verdreifacht. Doch die Ressourcen seien begrenzt, warnen die Autoren. Mit der Artenvielfalt leide auch die Leistungsfähigkeit der Ökosysteme und damit die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln weltweit, warnte Settele. [vef]
Quelle: www.keine-gentechnik.de/nachricht/33682/, Newsletter vom 07.05.2019, Auszug

„Transparenz und Wahlfreiheit statt Gentechnik durch die Hintertür“

Mit ihrem Fuß- und Handabdruck oder einer Unterschrift betonten mehr als 108.000 Menschen in der Aktion ‚FOODprint‘, dass sie keine Gentechnik auf dem Acker und dem Teller wollen. Heute übergaben Vertreter der Bio-Bewegung die bunt bedruckten Stoffbahnen und Unterschriften an Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Mit dabei war Elke Röder, Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW): „Gentechnik im Essen ist ein Angebot ohne Nachfrage. Mehr als drei Viertel der Deutschen wollen ein Verbot der Gentechnik in der Landwirtschaft. Für eine Lebensmittel-Kennzeichnung sprechen sich über 93 % der Menschen aus und ebenso viele wollen, dass die Auswirkungen der Gentechnik auf die Natur untersucht werden.“
Quelle: presse@boelw.de, Berlin, 17.07.2018 (Ausschnitt)

Auch neue Gentechnik ist Gentechnik

Berlin, 25.07.2018 (Ausschnitt). Heute bestätigt der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass auch gentechnische Verfahren wie CRISPR, ODM und Co. nach dem Europäischen Gentechnikrecht reguliert und gekennzeichnet werden müssen. Das Urteil kommentiert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bio-Spitzenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW):

„Jetzt ist es amtlich: Gentechnik ist Gentechnik. Das hat Europas höchstes Gericht heute klar und deutlich bestätigt. Das Gericht bekräftigt damit, was eigentlich schon immer klar war. Dass nämlich auch die tiefen technischen Eingriffe in das Erbgut von Lebewesen mit einer Gentechnik-Schere als Gentechnik eingestuft und reguliert werden müssen. Der EuGH hat in seiner Entscheidung wissenschaftliche Fakten ebenso berücksichtigt wie europarechtliche Grundlagen, und insbesondere das Vorsorgeprinzip. Was aus dem Urteil folgen muss, ist klar: Die Bundesregierung muss gewährleisten, dass die gesetzlich vorgeschriebene Regulierung und Kennzeichnung für die neuen Gentechniken voll-umfänglich umgesetzt werden. Bundesministerin Julia Klöckner muss in Berlin und in Brüssel auch darauf dringen, dass die Unternehmen für Verfahren wie CRISPR und Co. Referenzmaterial und Nachweisverfahren liefern müssen. Schließlich dürfen die neuen Gentechnik-Organismen Europas Landwirten oder Verbrauchern nicht einfach untergejubelt werden, wenn zum Beispiel Saatgut aus Ländern außerhalb Europas importiert wird. Die europäischen Richter sorgen dafür, dass Bauern und Verbraucher weiter selbst darüber entscheiden können, was sie anbauen und essen.“
Quelle: presse@boelw.de