Eco-Schemes – die neue grüne Agrarpolitik – Hoffnung oder doch nur wieder Greenwashing?

Beitrag von Julia Mlawez, Bio-Verbraucher e.V.

Die Landwirtschaft steckt in einer Krise. Während immer mehr Bauern ihre Existenzen aufgeben müssen, Diversität verloren geht, wirkt die Politik nicht effektiv genug dagegen. Dabei betrifft es jeden von uns, denn es geht darum, was täglich auf unseren Tellern landet.

Die GAP (gemeinsame europäische Agrarpolitik) ist auf zwei Säulen aufgestellt, die wie folgt definiert werden:

Säule 1: Direktzahlungen an Höfe je Hektar Bewirtschaftung – ergo; umso größer ein Hof, desto mehr Geldleistungen erhält man. Aus dieser Säule werden ¾ des Geldes geschöpft
Säule 2: Hier gehen die Gelder an Maßnahmen, die an die Förderung des ländlichen Raums geknüpft sind. Diese Säule wendet sich eher an die kleinen Bauern und betrifft Artenschutz, Infrastruktur und vieles mehr.

Alle sieben Jahre wird das Geld für die Landwirtschaft aus der EU neu verhandelt. Julia Klöckner (CDU) sprach von einem Systemwechsel und einem Meilenstein für Europa. Zu klären gilt nur noch, was sie unter einem Systemwechsel versteht. Das System wird bisher von der industriellen Landwirtschaft dominiert. Der Trend in den letzten Jahrzehnten führte dazu, dass die Höfe immer größer und automatisierter wurden, große Monokulturen die Regel waren, welche mit starkem Pestizideinsatz aufrechterhalten wurden. Die Titelseiten überschlugen sich mit negativen Schlagzeilen von Missständen und Artensterben. Die gravierenden Zustände haben die mediale Aufmerksamkeit erreicht; nun ist es Zeit, seitens der Politik verantwortungsvoller zu handeln.

Kritisch zu betrachten ist die Verteilung der Gelder aus der ersten Säule, denn ein Hof ist umso umweltschädlicher, je größer er ist. Nun der angekündigte Systemwandel, die Eco-Schemes. 20 Prozent aus der ersten Säule werden nun an Umweltauflagen geknüpft, welche die einzelnen Mitgliedsstaaten selbstständig festlegen können. Hier kritisiert der Bauernverband, wann wird es eine einheitliche Regelung für die EU geben, im Ausland wird es, wie gewohnt, niedrigere Standards geben, so können die Bauern dort zu geringeren Kosten produzieren als in Deutschland. Es ergibt sich erneut ein Unterbietungswettbewerb und ein Wettbewerbsdruck für die deutschen Bauern, die am ökologischsten produzieren und dennoch am meisten darunter leiden.

Die Landwirtschaftsverbindungen protestieren schon seit Längerem; erinnert euch an die Demo in Berlin, wo Traktoren um die Siegessäule kreisten. Nicht überraschend ist, dass es den Bauern schon lange nicht gut geht, und wenn es darum geht, mehr Tierwohl und weniger Pestizide zu verwenden, heißt es dann, dass sich die Betriebe dies einfach nicht leisten können. In den neuen Eco-Schemes gibt es wieder keine Vereinbarung, die dieses Problem effektiv löst. Die Bauern, die ökologischer und bewusster wirtschaften verlieren Produktionsfläche, da sie Hecken und Blumenwiesen für den Schutz und Futterflächen für Wildtiere anbauen und dadurch einen Einkommensausgleich bekommen. Das ist zwar ein netter Ausgleich, aber keine effektive Lösung für das globale Problem. Viele Bauern bewirken bereits mit dem Anbau von Zwischenfrüchten, Maßnahmen für Klima und Umwelt. Dies sind aber keine neuen langfristigen Strategien, um etwas zu verändern. Präzisionslandschaft (Precision Farming) gilt als die passende Öko-Regelung. Damit ist die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen durch elektronische Technik gemeint. Dies führt dazu, dass man weniger Dünger und Pestizide anwendet. Ein Beispiel wäre, wenn man mit einem Traktor automatisiert über ein Feld fährt – viel Einfluss hat dieser Einsatz per se nicht auf die Umwelt. Bisher hat Deutschland Precision Farming nicht in seine Öko-Regelungen aufgenommen.

Ein weiterer Grund, warum die Agrarwende keine wirkliche Wende ist: die Mitglieder des Agrarausschusses sind Menschen aus dem industriellen Agrarbusiness. Zum Beispiel ist der Vorstandsvorsitzende einer aus der Großmolkerei in Bayern – Leute aus dem System machen Politik für das System.

Wir benötigen einheitliche Regelungen von der Politik für ganz Europa, damit der Wettbewerbsdruck in der Landwirtschaft die Luft ausgeht. Heute haben sich die Klimaziele geändert und dennoch debattieren die Politiker um Punkte, die vor drei Jahren festgelegt wurden. Wir benötigen wirksame Strategien, die dem Erhalt der Böden dienen, die Erosion vermeiden, die Übersäuerung des Wassers reduzieren und das Tierwohl verbessern.
Quellen: Beushausen, Katrin; Methmann, Chriss (Theory of Change – Der Podcast für progressive Politik (Im Versteck der Agrarlobby) (Veröffentlicht am 13.11.2020) [Zugriff am 01.12.2020], Blazekoviv, Jessica (Das neue Zauberwort der Agrarpolitik) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-energie-und-umwelt/eco-schemes-das-neue-zauberwort-der-agrarpolitik-17036467.html [Zugriff am 03.12.2020] (Veröffentlicht am 16.11.2020), https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinsame_Agrarpolitik [Zugriff am 03.12.2020]
Siehe auch die Stellungnahme von Bioland zu diesem Thema in Rubrik 7/ Verbrauchermeinung

Für die Höfe, Tiere und das Klima

Unser Partner „Meine Landwirtschaft" gibt ein Feedback von der Protestveranstaltung „Wir haben es satt!" zur Grünen Woche in Berlin.

So viele tolle Fußabdrücke mit Forderungen für gute Landwirtschaft und gutes Essen haben uns erreicht. Tausend Dank an alle, die mitgemacht haben! Der Protest hat unsere Erwartungen übertroffen: Es sind mehr Fußabdrücke angekommen, als wir erwartet hätten. Das Bild im Regierungsviertel war wirklich eindrucksvoll und das Medienecho kann sich sehen lassen, obwohl es dieses Mal keine Großdemo gab. Unser Kampf für Höfe, Tiere und das Klima findet auch zu Pandemiezeiten Gehör – sehr gut!

 

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Buchtipp: „Agrarwende? Lieber heute als morgen!“

Unsere Mitglieder lesen gerne. Vor kurzem hat unser Vorstandsvorsitzender Wolfgang Ritter das Buch „Agrarwende? Lieber heute als morgen!“ von Sebastian Leinert unter die Lupe genommen.  Sein Urteil: absolut lesenswert!

Unglaubliche Missstände in der Massentierhaltung

Wir wissen von der Verschwendung von Lebensmitteln (siehe z. B. die Aktion „Zu gut für die Tonne“, unser Blog vom 30.09.2020). Wusstest Du auch, dass Millionen von Tieren in der Massentierhaltung verenden oder notgeschlachtet werden müssen, weil sie erkranken oder den Transport zum Schlachthof nicht überstehen? Sebastian Leinert trägt in seinem Buch zusammen, worüber die Presse in den letzten Jahren berichtete – allerdings ohne Folgen für das System. Zum Beispiel verenden vor dem Schlachttermin alleine in Deutschland 13,7 Millionen Schweine jährlich (S. 122). Regelmäßige Kontrolle? Fehlanzeige! „In Bayern kommt nur alle 48 Jahre ein Kontrolleur vorbei.“ (S. 119). Tierärzte und Veterinäre, die Missstände aufzeigen, bekommen Morddrohungen oder werden versetzt: „Wer Ärger macht, bekommt Ärger“ (S. 121). Urteile zu gemeldeten Missständen? In Niedersachsen gab es nur ein einziges Urteil in den letzten 40 Jahren (S.119). Leinert zeigt auch Auswege auf. Zwei Beispiele: Würde die Tierhaltung per Gesetz an die zur Verfügung stehende Agrarfläche gebunden, so wie es die Vorschriften der Bio-Verbände vorsehen, würde die Massentierhaltung schlagartig zu einem Ende kommen (S. 88). Oder: Mehrwertsteuersatz für Produkte aus Massentierhaltung erhöhen von 7 % auf 19 % (S. 132).

In der EU-Landwirtschaft soll alles beim alten bleiben: Agrar-Mogelpackung im EU-Parlament verhindern!

Was aus Brüssel zu uns dringt, macht uns fassungslos. Am Mittwoch, 21. Oktober 2020, wird über die Neuverteilung der Agrar-Subventionen im EU-Parlament abgestimmt. Unterhändler*innen der drei größten Fraktionen – Konservative, Liberale und Sozialdemokratie – haben dafür einen faulen Kompromiss erarbeitet:

Mindestens 60 Prozent der Gelder sollen demnach weiter als pauschale Flächensubventionen ausgezahlt werden. Gleichzeitig wollen sie die Zahlungen deckeln, mit denen die Bäuerinnen und Bauern für Umweltschutz belohnt werden. Wir wenden uns in Appellen an die Politiker.

Hier kannst Du eine Petition unterschreiben: https://act.wemove.eu/campaigns/stop-subventionen-fuer-intensive-landwirtschaft?utm_source=partner_diverse

Krankes System Billigfleisch

Offener Brief von Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace

Das System Billigfleisch ist krank: Der Corona-Ausbruch bei Tönnies und anderen Schlachtbetrieben liefert erneut Belege für die verantwortungslose Ausbeutung von Arbeiter*innen, die Qual der Tiere, das leichtfertige Spiel mit unserer Gesundheit und die gefährlichen Folgen für die Umwelt. Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand Greenpeace, schrieb folgenden offenen Brief an Bundesernährungsministerin Julia Klöckner, den der Bio-Verbraucher e.V. unterstützt.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

die erschreckenden Nachrichten über die massive Ausbreitung von Covid-19 in deutschen Schlachthöfen rücken die rechtswidrigen, menschenverachtenden und tierquälerischen Zustände in der Fleischproduktion erneut ins öffentliche Bewusstsein. Für die Produktion und den Export von Billigfleisch setzen Fleischbarone wie Tönnies ohne jeden Skrupel die Gesundheit von Menschen aufs Spiel.

Es ist skandalös, dass diese seit langem bekannten Missstände von der Politik und den Aufsichtsbehörden geduldet wurden. Sie tragen als Ministerin Verantwortung für die sichere Versorgung mit gesunden Lebensmitteln. Wie kann es sein, dass im größten Schlachthof Deutschlands tausende von Mitarbeitern Tag für Tag ihre Gesundheit riskieren? Warum haben Sie dem unverantwortlichen Treiben des Tönnies-Konzerns so lange untätig zugesehen?

Sie haben zum Amtsantritt als Ministerin geschworen, dass Sie das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen werden. Wir verstehen nicht, wie Sie zulassen können, dass für die Erzeugung von Billigfleisch seit Jahren geltendes Tierschutzrecht ausgesetzt und damit das Verfassungsgebot zum Tierschutz massenhaft unterlaufen wird. Sie sind stellvertretende Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union, die sich den christlichen Grundwerten und der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet fühlt. Wie verträgt sich dies mit der Unterstützung einer industriellen Fleischerzeugung, für die Tiere in viel zu engen Ställen und Kastenständen gequält werden? Wie ernst nehmen Sie Ihre Pflicht zur Bewahrung der Schöpfung, wenn Sie in Kauf nehmen, dass zum Anbau von Soja, das hier an Mastschweine verfüttert wird, wertvolle Ökosysteme in Südamerika unwiederbringlich zerstört und indigene Bevölkerungsgruppen vertrieben werden?

Sie wissen, dass es nicht einzelne “schwarze Schafe” sind, die unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen oder Tierquälerei in engen Ställen zu verantworten haben. Die industrielle Erzeugung von Billigfleisch ist ein krankes System, das Tiere quält, unsere Gesundheit gefährdet, der Umwelt schadet und die Klimakrise anheizt. Deshalb brauchen wir einen grundlegenden Umbau der Tierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland. Bis 2050 müssen wir die Produktion und den Verbrauch von Fleisch um mindestens die Hälfte senken.

Der Deutsche Ethikrat hat erst kürzlich den mangelnden Tierschutz in Deutschland unmissverständlich gerügt und Eckpunkte für eine ethisch verantwortliche Nutztierhaltung vorgelegt. „Ich kenne kein einziges Rechtsgebiet, in dem so heuchlerisch vorgegangen wird wie im Tierschutzrecht“, sagt Steffen Augsberg, Sprecher der Arbeitsgruppe Tierwohl im Deutschen Ethikrat. Er verlangt ein grundsätzliches Umsteuern in der Nutztierhaltung.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wir appellieren daher eindringlich an Sie, noch in dieser Legislaturperiode konkrete Maßnahmen zum Umbau der Tierhaltung und der Fleischproduktion in Deutschland zu ergreifen:

• Setzen Sie konsequent geltendes Tierschutzrecht durch: Mit lange geduldeten Verstößen wie der betäubungslosen Ferkelkastration, dem Kükenschreddern oder der Haltung von Sauen in engen Kastenständen muss endlich Schluss sein. Passen Sie die Nutztierhaltungsverordnungen an das Tierschutzgesetz und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Tierforschung an.
• Schaffen Sie Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher, die nicht länger Fleisch von Tieren kaufen wollen, die in engen Ställen gequält wurden. Führen Sie eine gesetzlich verpflichtenden Haltungskennzeichung für alle Fleischprodukte ein.
• Setzen Sie die Vorschläge der Borchert-Kommission zur Verbesserung des Tierwohls um. Schaffen Sie mit einer zweckgebundenen Tierwohl-Abgabe eine sichere finanzielle Basis für die gezielte Förderung von landwirtschaftlichen Betrieben, die in mehr Tierwohl investieren.
• Stellen Sie mit der Verabschiedung eines Lieferkettengesetzes sicher, dass Unternehmen in Deutschland entlang der gesamten Wertschöpfungskette soziale und ökologische Standards einhalten, die eine Ausbeutung von Menschen und die Zerstörung wertvoller Ökosysteme wie dem Amazonas verhindern.
• Treten Sie dafür ein, dass die Verteilung von EU-Subventionen nach der Größe der bewirtschafteten Fläche ein Ende hat. Machen Sie sich bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) dafür stark, dass mit den Steuergeldern in Milliardenhöhe nur landwirtschaftliche Betriebe gefördert werden, die gesellschaftlich erwünschte Leistungen zum Schutz von Umwelt, Arten und Klima erbringen.

Wir hoffen auf Ihre Verantwortung für eine grundlegende Reform der Nutztierhaltung und stehen Ihnen jederzeit für einen persönlichen Austausch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Kaiser/ Geschäftsführender Vorstand Greenpeace

Hier können Sie die Forderungen unterstützen: https://act.greenpeace.de/krankes-system-billigfleisch?utm_campaign=agriculture&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_content=button&utm_term=20200908-zukunftskommission

Agrarpolitik muss endlich zum Teil der Klimapolitik gemacht werden

Zuschrift von foodwatch vom 20.09.2019

Sie haben es wahrscheinlich in den Medien verfolgt oder waren selbst auf der Straße: Heute haben Hundertausende für eine klimafreundlichere Politik gestreikt. Auch wir von foodwatch waren bei der Demo in Berlin dabei. Wir fordern, endlich die Landwirtschaft beim Thema Klima in die Pflicht zu nehmen. Denn hier gibt es enorme Einsparpotenziale. Die Landwirtschaft verursacht in etwa so viele klimaschädliche Gase wie der Straßenverkehr! Wie eine neue foodwatch-Analyse belegt, entstehen durch die Agrarbranche in der EU jährlich Klimaschäden in Höhe von 77 Milliarden Euro.

Das macht deutlich: Die Klimadebatte sollte nicht nur um Flugreisen und SUVs kreisen, denn die Landwirtschaft ist mit ihrer Überproduktion an Fleisch und klimaschädlichen Anbaumethoden eine riesige Treibhausgas-Schleuder. Statt diese Missstände anzugehen, fördert der Staat das fehlgeleitete Wirtschaften noch mit Milliardensubventionen. foodwatch fordert die Bundesregierung auf, die Agrarpolitik endlich zum Teil der Klimapolitik zu machen und verbindliche Vorgaben für die Einsparungen von CO2-Äquivalenten zu formulieren.

Doch wie könnten das aussehen? Das Verursacherprinzip muss gelten: Die Landwirtschaft muss für die von ihr verursachten Klima- und Umweltschäden aufkommen. Das senkt die Klima-Emissionen und macht umweltfreundlich erzeugte Produkte günstiger, umweltschädlichere Produkte teurer. Nur mit einer umfassenden ökologischen Reform des gesamten Agrarsektors lassen sich diese Einsparungen erzielen.

Wie ist unsere Studie entstanden? foodwatch hat zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu den sogenannten externen Effekten der Landwirtschaft analysieren lassen. Darunter versteht man Kosten, die durch landwirtschaftliche Produktion zum Beispiel in der Umwelt entstehen – die aber nicht von Verursachern, sondern von der Allgemeinheit getragen werden. Die Studienauswertung zeigt, wie enorm die externen Effekte der Landwirtschaft seien, insbesondere auf das Klima.
Mehr zu der Studie: www.foodwatch.org: EU-Landwirtschaft verursacht Klimaschäden von 77 Milliarden Euro, Nachricht vom 18.09.2019

 

EU-Agrarpolitik nach 2020: Geld mit Gemeinwohlleistungen verdienen, anstatt durch Landbesitz

Liebe Leserinnen und Leser,

der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) berät das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Deutschland. Die 19 unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen in ihrer jüngsten Stellungnahme deutlich, dass das Steuergeld Umwelt-, Klima- und Tierschutz statt Flächenbesitz belohnen muss und zeigen auf, wie das umgesetzt werden kann.

Mit jährlich 60 Mrd. € bestimmt die EU-Agrarpolitik (GAP), welche Landwirtschaft sich in Europa lohnt. Alle sieben Jahre wird die GAP reformiert, derzeit verhandeln Mitgliedsstaaten und EU-Parlament über die Agrarförderung nach 2020. Eine Forsa-Umfrage zeigt: Zwei Drittel der Landwirte wünschen sich eine andere EU-Agrarpolitik. Aktuell durchkreuzt die EU mit der EU-Agrarpolitik ihre eigenen Ziele, zu denen sich die Staatengemeinschaft mit Blick auf das Klima, die Umwelt, Artenvielfalt oder lebendige Dörfer verpflichtet haben.

Was entscheidend ist für eine zukunftsfähige GAP:

1. Statt 70 % Pauschalzahlungen nach Fläche brauchen wir 70 % der gesamten EU-Fördermittel für die Honorierung von freiwilligen Leistungen für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz.
2. Verbindliche Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele für alle Mitgliedsstaaten sind nötig, um einen Dumpingwettbewerb zu verhindern.
3. Ein großer Teil der Direktzahlungen der ersten Säule müssen für freiwillige Umweltmaßnahmen (Ecoscheme) genutzt werden.
4. Mittel aus der ersten Säule müssen in die finanziell geschwächte zweite Säule umgeschichtet werden, um dort Agrarumweltmaßnahmen, den ökologischen Landbau und Maßnahmen zur flächengebundenen artgerechten Tierhaltung finanzieren zu können.
5. Die Vorgaben für die künftige Investitionsförderung für Stallbauten müssen sich an den baulichen Vorgaben der EU-Öko-Verordnung orientieren. Nur so kann für konventionell wirtschaftende Betriebe sichergestellt werden, dass sie später auf ökologischen Landbau umstellen können.

Nach Übergabe der Empfehlungen des WBAE an das BMEL kommentiert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW):

„Es besteht ein sehr hoher Veränderungsdruck in Landwirtschaft und Gesellschaft, da können wir uns keine unwirksamen teuren Politikmaßnahmen mehr leisten. Die Wissenschaftler stellen erneut fest, dass die bisherige GAP keinen hinreichenden Beitrag zur Reduzierung von Umweltbelastungen leistet. Das ist Rückenwind für Bundesministerin Klöckner durch ihren wissenschaftlichen Beirat, wenn sie eine ambitionierte Agrarpolitik für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz in Brüssel einfordern will.“
Quelle: BÖLW-PM vom 17.07.2019: Die Gemeinsame Agrarpolitik kann jetzt zu einem Veränderungsmotor werden!

Wie der BÖLW begrüßt auch der Bio-Verbraucher e.V. die Empfehlungen des WBAE und drängt Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, sie als Richtschnur für ihre Verhandlungen in Brüssel einzusetzen, um die kleinbäuerliche Bio-Landwirtschaft in Europa bei ihren Maßnahmen für Umwelt-, Klima- und Tierschutz angemessen zu unterstützen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Ritter